Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. April 2024, Nr. 93
Die junge Welt wird von 2767 GenossInnen herausgegeben
01.05.2020, 19:50:03 / jW stärken!

Seid wachsam!

Warum sich Linke niemals auf eine Querfront mit Nazis einlassen sollten
Von Dietmar Koschmieder
16.jpg
Die braune Pest verjagt: Rotarmist hisst die Sowjetfahne auf dem Reichstag in Berlin (2. Mai 1945)

Vor 75 Jahren wurde Berlin vom Nazipack befreit. Seither eint linke Kräfte in Deutschland über alle Unterschiede hinweg die Überzeugung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! In Sachen Krieg hat die Linke hierzulande allerdings schon schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hin zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 wurden ausgerechnet durch jene möglich, die sich früher selbst zur Linken im Land gezählt hatten: den sozialdemokratischen Bundeskanzler (und ehemaligen Stamokap-Juso) Gerhard Schröder und seinen »grünen« Außenminister (und einstigen Streetfighter) Joseph Fischer. Wer sich links versteht, wird ihnen und ihren Parteien diesen Sündenfall niemals verzeihen. Zumal mit ihm der Auftakt einer Entwicklung markiert wurde, mit der Kriege wieder als normale Option deutscher Politik etabliert werden sollen – und an deren Ende wesentlich größere Kriege stehen werden, wenn wir dies nicht verhindern.

Soviel zum Thema »Nie wieder Krieg!« Und die Forderung »Nie wieder Faschismus«? Auch hier wurde schon vieles in die Wege geleitet, um im Notfall die aggressivste kapitalistische Herrschaftsform als Nachfolgerin für die bestehende, aber schwächelnde bürgerlich-demokratische Variante ins Gespräch zu bringen. Faschisten können sich mittlerweile feinbürgerlich in Nadelstreifen als »Alternative für Deutschland« und auf den Straßen und TV-Kanälen als Oppositionsführer präsentieren, die ganz offen den »Tag X« ihrer Machtübernahme vorbereiten. Durch die Coronakrise wird immer deutlicher, dass der auf Profitmaximierung orientierte Kapitalismus den Anforderungen für eine menschengerechte Gesellschaft niemals entsprechen kann. Die Alternative von rechts besteht nun darin, auf solche Anforderungen einfach zu verzichten. Die von links will mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Profitlogik brechen, um damit überhaupt erst die Voraussetzungen für eine menschengerechte Gesellschaft zu schaffen. Aus diesem dramatischen Unterschied heraus ergibt sich aber zwingend, dass Linke dieses Ziel niemals gemeinsam mit Faschisten erkämpfen können!

Im politischen Tageskampf kann es zuweilen so scheinen, als ob Nazis und Linke ähnliche Teilziele verfolgten. Nicht nur von rechter Seite wird dieser Eindruck gerne benutzt für das Argument, dass man sich mit Begriffen wie rechts oder links nicht spalten lassen dürfe. Noch weiter geht die Behauptung, es gäbe heute gar kein Rechts oder Links mehr, sondern nur noch das gemeinsame Ziel. Aber diese Argumentation ist nichts als Augenwischerei: Wer im politischen Kampf Nazis die Tür öffnet und sie zu Tisch bittet, muss deshalb selbst noch lange kein Rechter sein. Er darf sich aber nicht wundern, wenn Nazis diesen Platz dann tatsächlich einnehmen und ihn für ihre Ziele nutzen, die niemals die unsrigen sein können. Der Ruf der Überlebenden, die vor 75 Jahren aus den Konzentrationslagern befreit wurden, bleibt aktuell wie eh und je: Seid wachsam! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.