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Aus: Feminismus, Beilage der jW vom 24.02.2021
Editorial

Zwischen Abwehr und Angriff

Feminismus in der Pandemie: Frauen halten Laden am Laufen, bekommen aber trotzdem die größte Bürde aufgebrummt
Von Ina Sembdner und Frederic Schnatterer
»Arbeit«: Nina Kaun arbeitet als freiberufliche Künstlerin in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt auf Illustrationen, assoziativem Geschichtenerzählen und Buchgestaltung. In ihrer Arbeit verbindet sie analoge und digitale Techniken wie Zeichnung, Papiercollage und verschiedene Drucktechniken. Ninakaun.com
»Frauen in der Welt«: In England und Bulgarien aufgewachsen, arbeitet Devorah Lidovadna als freiberufliche Illustratorin in Berlin. Nachdem sie einen Master in Kinderbuchillustration absolviert hat, will sie mit ihrer Kunst die menschliche Sensibilität durch Bildsprache und Design ans Licht bringen. Devorahlivadna.com
»Geburtsrechte«: Natasha Collins lebt und arbeitet in Berkhamsted in England. Die gelernte Illustratorin liebt es, Blumen und die Natur zu malen, in den vergangenen zehn Jahren hat sie hauptsächlich Kuchen als Leinwand verwendet. Zu diesem Thema hat sie auch zwei preisgekrönte Bücher geschrieben und illustriert. instagram.com/natashacollinsart/
»Wie Frauen in ihre Schranken verwiesen werden«: Jördis Hirsch arbeitet als freischaffende Künstlerin mit den Schwerpunkten Illustration und Siebdruck in Berlin. Humor spielt eine wichtige Rolle in ihren Arbeiten. Durch ihn lädt sie Betrachtende ein, dem Ernst des Lebens mit einem Lächeln zu begegnen. Joerdishirsch.com
»Gesundheit«: Tineke Noppers arbeitet als freischaffende Künstlerin in Berlin und schreibt ihre Poesie in Bildern. Sie erzählt von göttlichen Kaninchen, Scherenvögeln, Vögelmännern und menschlichen Gefühlen. Dabei benutzt sie ihre Stifte, um an der Oberfläche zu kratzen und freizulegen, was darunter verborgen lag. instagram.com/tinekenoppers/
»Bildung und Vernetzung«: Die in Seoul geborene und aufgewachsene Künstlerin Hajin Jeong lebt und studiert derzeit in Dresden. Ausgehend von figurativen Zeichnungen nutzt sie für ihren künstlerischen Ausdruck verschiedene Formate wie großflächige Malerei und Comics sowie gedruckte und digitale Illustration. Hajinjeong.com
»Besitz und Armut«: Cristina Vives Brozgol ist eine Illustratorin aus Barcelona, die in Berlin lebt und arbeitet. In ihrer als feministisch, surrealistisch und figurativ beschriebenen Kunst möchte sie die Körper von Frauen und nichtbinären Personen erfassen. Mit verschiedenen Techniken und Materialien will sie die verschiedenen Empfindungen vermitteln, die im Laufe eines Lebens möglich sind. instagram.com/crisvivesbroz/
»Körperpolitik«: Die in Bogotá geborene Illustratorin Xuehka lebt und arbeitet derzeit in Berlin. Sie gehört zur dritten ­Generation von Künstlerinnen in ihrer Familie. Sie beschreibt sich als Feministin, Verteidigerin und Wahrerin von Gleichstellung, Diversität und Freiheit. instagram.com/xuehka/

Das erste Jahr der Coronapandemie hat die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems einmal mehr schonungslos offengelegt. Profit­orientierung und nationalstaatliche Konkurrenz verhindern einen effektiven Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, dementsprechend waren die Prioritäten der Herrschenden von Anfang an klar gesetzt. Während Großkonzernen Milliarden in den Rachen geworfen werden, bekommen Arbeiterinnen und Arbeiter nur minimale »Hilfen«.

Wenn überhaupt. Einmal mehr ist es die Arbeiterklasse, die die Kosten für die Krise zahlt. Was für den Großteil der Bevölkerung gilt, trifft Frauen und sich nicht im heteronormativen System Verortende besonders. Sie sind es, die in der Pandemie erneut die größte Bürde aufgebrummt bekommen, deren Leben gefährdet ist. Dass das durch die Gesundheitskrise nur verschärft wurde, zeigt der in dieser Beilage von Gitta Düperthal rezensierte »Frauenatlas« anhand von Grafiken und Karten.

Schon vor der Pandemie bestehende Benachteiligungen werden jedoch durch das politische Krisen-(Miss-)Management der Regierenden noch verstärkt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es Frauen sind, die den Großteil der bezahlten sowie der unbezahlten Sorgearbeit leisten, wie Claudia Wrobel in ihrem Beitrag aufzeigt. Es kann festgehalten werden: Im Moment festigt die Coronapandemie das Patriarchat.

Dafür sorgen nicht zuletzt Rechte und andere Reaktionäre, die die Pandemie als Bühne für ihre frauen- und somit generell menschenfeindliche Hetze nutzen. Antifeministen sehen sich im Aufwind, Proteste gegen die Coronamaßnahmen der Regierungen bieten ihnen den nötigen Resonanzraum, wie Sandra Schönlebe in ihrem Beitrag beschreibt. Hier muss sich die Linke auch an die eigene Nase fassen.

Es gibt jedoch auch Lichtblicke. Die Nachricht aus Argentinien vom Ende des vergangenen Jahres, dass Schwangerschaftsabbrüche in dem südamerikanischen Land fortan legal, sicher und kostenfrei sein werden, macht Mut. Dass nur wenige Wochen später mit Honduras ein anderer lateinamerikanischer Staat seine ohnehin extrem restriktive Gesetzgebung diesbezüglich weiter verschärfte, ging in der Berichterstattung in Deutschland faktisch unter. Julieta Daza berichtet aus Caracas, dass es vor allem die junge Generation ist, die in der Region für das Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Körper mobilisiert.

Die Pandemie bringt neue Herausforderungen für die feministische Bewegung, eröffnet aufgrund der Transnationalität der Krise aber auch Möglichkeiten für den Ausbau des gemeinsamen Kampfes. Welche Forderungen für den diesjährigen 8. März im Vordergrund stehen und welche Mobilisierungen für den Frauenkampftag laufen, thematisiert Ina Sembdner in ihrem Beitrag. Letzlich geht es darum, dass die Coronakrise auch zu einer Krise für das Patriarchat wird.

Illustriert ist die Beilage mit extra für junge Welt gefertigten Kunstwerken. Acht Künstlerinnen, die unter ihren Beiträgen jeweils kurz vorgestellt werden, haben sich mit den auch im »Frauenatlas« thematisierten Bereichen auseinandergesetzt. Entstanden sind Illustrationen, die einen eigenen, ästhetisch anspruchsvollen Blick auf weltweit existierende Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen von Frauen werfen. Sie sind gegliedert nach den Themen Arbeit, Besitz und Armut, Bildung und Vernetzung, Frauen in der Welt, Geburtsrechte, Gesundheit, Körperpolitik und wie Frauen in ihre Schranken gewiesen werden.

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Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

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