»Solidarität von Palästinensern und schwarzem Amerika«
Von Susan AlbuhawaIm folgenden dokumentiert junge Welt leicht gekürzt den Beitrag der in den USA lebenden palästinensischen Autorin und Menschenrechtsaktivistin Susan Albuhawa auf der Podiumsveranstaltung »Mumia und die Epidemie der Masseninhaftierung« am 11. Februar in New York.
Wenn man aus einer Gesellschaft kommt, die gegen das Erbe des Siedlerkolonialismus, die Versklavung oder den Neokolonialismus kämpft, stehen Gefangene oft im Mittelpunkt. Gefängnisse können Ort moralischer Kraft sein. Dort finden wir unsere größten Freigeister. Mumia ist ein Paradebeispiel dafür. Die meisten unserer Anführer in Palästina sind entweder ermordet oder eingesperrt. Das Gefängnis ist für uns also kein Ort des Verbrechens, sondern ein Ort, an dem wir moralische Klarheit finden.
Was die USA und Israel angeht, sollten wir nicht über Ähnlichkeiten zweier Systeme sprechen, sondern eher von zwei Teilen eines Ganzen, von Organen eines Körpers. Als Menschen erkennen wir das intuitiv. Es gibt deshalb eine intuitive gegenseitige Solidarität von Palästinensern und schwarzem Amerika. Ebenso wie mit Afrika, den ehemaligen Kolonien.
Menschen wie Malcolm X, Angela Davis, Martin Luther King, Muhammad Ali, die Panthers und Nelson Mandela, Robert Sobukwe, Steve Biko, Patrice Lumumba, Thomas Sankara waren und sind für uns politische Führer und Revolutionäre, zu denen wir aufschauen.
Israel und seine Satelliten in den USA – Organisationen, die sich als Bürgerrechtsgruppen ausgeben, aber in Wirklichkeit Agenten Israels sind – sind wirklich besorgt über die Solidarität der Schwarzen mit Palästina. Sie haben Millionen und Abermillionen ausgegeben, um die traditionellen schwarzen Universitäten und ihre aufstrebenden jungen schwarzen Führungskräfte für vollfinanzierte Propagandatouren nach Israel zu gewinnen.
Doch trotz dieses intensiven und kostspieligen Aufwands blieb der Erfolg aus. Denn wenn in unseren Ländern etwas passiert, reagieren wir auch ohne genaue Detailkenntnisse spontan auf den visuellen Eindruck. Als wir die Bilder vom Mord an George Floyd sahen, haben junge Leute in ganz Palästina sofort protestiert, denn die meisten von ihnen haben selbst schon einmal das Knie oder den Stiefel eines israelischen Soldaten im Genick gespürt.
Ein anderes Beispiel: In einem Flüchtlingslager im Westjordanland gibt es eine Gedenkstätte mit einer Wandmalerei, die den 12jährigen Tamir Rice zeigt, der 2015 in Ohio in einem Park von einem Polizisten erschossen wurde, und den gleichaltrigen Jungen namens Abdel Rahman Abdullah, der 2015 in einem Park des Lagers von einem israelischen Scharfschützen ermordet wurde. Auch von George Floyd gibt es in Palästina viele Wandgemälde.
Für Schwarze gab es diesen Effekt des gegenseitigen Wiedererkennens im November 2023 während des Gefangenen- und Geiselaustauschs in Gaza. Viele Menschen in den USA erfuhren zum ersten Mal, dass es eine »Verwaltungshaft« gibt, in der Palästinenser jahrelang, manchmal jahrzehntelang ohne Anklage oder Prozess festgehalten werden. Die Reaktionen auf diese Erkenntnis waren in den USA entlang ethnischer Linien sehr unterschiedlich. Weiße suchten nach einer logischen Erklärung für die Haft, die meisten Schwarzen fühlten sich jedoch sofort daran erinnert, dass zwei Drittel der Schwarzen, die im Gefängnis sitzen, ohne Urteil ewig auf ihren Prozess warten.
Ich will damit hervorheben, dass es trotz der Propaganda, trotz der Medien, trotz des Geldes, der Kampagnen und ihrer Ziele ein gegenseitiges Verständnis von uns füreinander gibt. Ich denke, dass sowohl Palästinenser als auch Afroamerikaner eine gemeinsame politische Heimat im Internationalismus, in der Solidarität mit indigenen Bewegungen und Befreiungsbewegungen finden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (23. Februar 2024 um 13:32 Uhr)»Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.« Treffender als Susan Albuhawa kann man nicht beschreiben, wie die Kraft dieser Zärtlichkeit trotz aller Mauern, Hetze, Gewalt und der Kriege ihre Wirksamkeit entfaltet, weil sie tiefster Ausdruck der Mitmenschlichkeit ist. Sie verleiht jenen unbändige Kraft, die sie erfahren. Und auch denen, die sie üben. Unsere Solidarität ist eine zarte Pflanze, sie will gehegt und gepflegt sein. Und stärkt gerade dadurch jene, die solidarisch sind. Inmitten einer Gesellschaft, in der die Menschen dazu erzogen werden, vorrangig ihre Ellenbogen zu gebrauchen, gibt es wohl keine soziale Erfahrung, die wichtiger wäre.
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