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Waffen für Nordafrika

Immer mehr deutsche Rüstungsgüter werden nach Ägypten, Algerien, Marokko und Tunesien verkauft. Im Interesse von Bundesregierung und Konzernen
Von Jörg Kronauer
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Vizeadmiral Ahmed Khaled (r.) freute sich über ein neues U-Boot, Andreas Burmester (Thyssen-Krupp) über den Gewinn (Kiel, August 2017)

Die Bundesregierung hat 2017 Rüstungsexporte in Rekordhöhe nach Ägypten und in Milliardenhöhe an Algerien genehmigt. Dies geht aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Demnach hat der Bundessicherheitsrat von Januar bis Mitte November 2017 der Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von 428 Millionen Euro an Ägypten zugestimmt. Algerien darf Produkte deutscher Waffenschmieden mit einem Volumen von mehr als 1,1 Milliarden Euro kaufen. Damit zählen die beiden Länder im Gesamtjahr 2017 offensichtlich erneut zu den Top fünf der Käufer deutschen Kriegsgeräts weltweit. Die Genehmigungen erfolgten, obwohl insbesondere Ägypten, aber auch Algerien wegen Menschenrechtsverletzungen scharf kritisiert werden und obwohl – vielleicht aber auch weil – sie in Konfliktregionen liegen.

Ägypten hat sich im vergangenen Jahr unter anderem die Lieferung von Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs »Sidewinder« aus dem Hause Diehl Defence sowie die Lieferung von U-Booten aus der Produktion von Thyssen-Krupp Marine Systems genehmigen lassen. Insgesamt wird das Land vier deutsche U-Boote erhalten, zwei wurden bereits an die ägyptische Marine übergeben. Berlin ist unter anderem aus geostrategischen Gründen viel an guten Beziehungen zu Ägyptens Militär gelegen: Der Suezkanal und das Rote Meer, das von der ägyptischen Marine kontrolliert wird, sind Teil eines der für Deutschland wichtigsten Seewege. Desjenigen, der nach Asien führt.

Im Roten Meer beteiligt sich die ägyptische Marine zudem an Operationen im Zusammenhang mit Saudi-Arabiens Krieg im Jemen. Riad sucht den Sieg unter anderem mit einer Hungerblockade zu erzwingen, die auch jemenitische Häfen am Roten Meer betrifft. Mit Blick auf die Rüstungsexporte ist anzunehmen, dass Riads Krieg im Jemen, der sich gegen eine etwaige Einflussnahme Irans auf das Land richtet, den Interessen Berlins entspricht: Saudi-Arabien, dessen Marine die Hauptverantwortung für die Blockade trägt, wird gegenwärtig mit deutschen Patrouillenbooten beliefert.

Die umfangreichen Rüstungsexporte an Algerien spiegeln ihrerseits zweierlei wider. Zum einen hat das Land zuletzt zwei teure deutsche Fregatten erhalten. Deutsche Marinekreise verbinden mit der Lieferung die Hoffnung, Algier werde künftig enger »mit europäischen Mittelmeermarinen« kooperieren, wie das Fachblatt Marine Forum Ende 2015 berichtete. Zum anderen hat Rheinmetall in Zusammenarbeit mit dem algerischen Verteidigungsministerium einen Ableger nahe Constantine gegründet; Rheinmetall Algérie soll Radpanzer des Modells »Fuchs« für die algerischen Streitkräfte herstellen. Daimler wiederum lässt in der Nähe von Algier Geländewagen und »Unimogs« montieren, mit denen ebenfalls die algerische Armee ausgestattet wird. Berlin setzt darauf, dass Algier auch weiterhin die Wüstengebiete des Landes scharf kontrolliert, um die Reise von Flüchtlingen ans Mittelmeer zu verhindern.

Ebenfalls mit Rüstungslieferungen bedacht wurden Marokko (11 Millionen) und Tunesien (58 Millionen). Tunesien hat unter anderem deutsche Sturmgewehre erhalten. In dem Land wurde am Montag bei Demonstrationen gegen steigende Preise und Steuererhöhungen ein Demonstrant getötet. Die Proteste weiteten sich zuletzt aus. Gewalttätige Zusammenstöße wurden aus mindestens zehn Städten gemeldet. Auf deutsche Waffen können die tunesischen Repressionsbehörden nach wie vor zählen.

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