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19.07.2017, 17:49:41 / No G20

Altbekannte Hetze

Reaktionen der Massenmedien auf Ereignisse zum G-20-Gipfel erinnern an 60er Jahre in BRD
Von Bernd Oelsner
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Damals wie heute richtig: Springer muss enteignet werden (Ostermarsch in Stuttgart, 15.4.1968)

Die Kampagnen des bürgerlichen Medienkartells vor, während und nach dem ­G-20-Gipfel in Hamburg erinnern an die 1960er Jahre. Massenmedien, die anfangs noch über brutale Polizeiattacken auf friedlich Demonstrierende berichteten, waren binnen weniger Tage auf Linie. Die »Tagesschau« reduzierte den Protest auf »terroristische Gewaltorgien«, die FAZ warnte vor der »Kapitulation des Staates«. Bild übernahm die Funktion von Exekutive und Jurisdiktion, rief die Bevölkerung zur Menschenjagd auf und lieferte die Urteile zur Rechtfertigung möglicher Lynchopfer vorab gleich mit. Ähnliches durchlebte die BRD vor 50 Jahren schon einmal.

Ende der 1960er Jahre begann sich eine zunehmend stärker werdende außerparlamentarische Opposition (APO) gegen den repressiven BRD-Staat und dessen auf Unterdrückung zielende Notstandsgesetzgebung zu wehren. Zigtausende demonstrierten gegen die Unterstützung des US-Massenmordes in Vietnam. Auch die unkontrollierte Macht privater Medienkonzerne geriet in den Fokus der Kritik. Springers Bild forderte daraufhin offen zur Beseitigung der »Störenfriede« auf. Es war nur eine Frage der Zeit, dass die systematisch erzeugte Pogromstimmung sich entlud. Am 2. Juni 1967 tötete der Polizist Karl-Heinz Kurras während einer Demonstration in Berlin den Studenten Benno Ohnesorg durch einen Schuss in den Hinterkopf. Doch Bild und andere Massenmedien hetzten weiter und stempelten nun den Studentenführer Rudi Dutschke zum »Volksfeind Nr. 1«.

Anfang Februar 1968 gingen die Scheiben von sieben Springer-Filialen zu Bruch. Für den Konzern und den Westberliner Senat ein Vorwand, allen Linken den Krieg zu erklären. Die Berliner Morgenpost machte aus dem angekündigten Springer-Tribunal eine »Aufforderung zum Terror« und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) warnte: »Unsere Gesetze … werden jeden mit aller Härte treffen, der bei uns Amok laufen will.« Als die APO für eine Großdemonstration gegen den Vietnamkrieg mobilisierte, forderte Bild unter der Überschrift »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!« am 7. Februar: »Man darf über das, was zur Zeit geschieht, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.«

Zwei Monate später feuerte Bild-Leser Josef Bachmann drei Schüsse auf Rudi Dutschke ab. Dutschke sei »das Opfer des von ihm gepredigten Hasses geworden«, höhnte das Blatt nach der Tat. Brennende Auslieferungsfahrzeuge für Springer-Zeitungen lieferten bei den folgenden Protesten die gewünschten Bilder. Die Molotowcocktails, mit denen die Lieferwagen in Brand gesteckt wurden, stammten jedoch nicht von »linken Chaoten«, sondern waren von dem V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes Peter Urbach verteilt worden. Während Bild und Politik trotzdem weiter gegen Linke hetzten, setzte sich Anstifter Urbach mit Hilfe des Verfassungsschutzes in die USA ab. Auch Bild-Chefredakteur Peter Boenisch wurde belohnt. Er wurde 1983 Mitglied der Bundesregierung, als deren Sprecher unter Helmut Kohl.

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