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08.07.2017, 18:48:58 / No G20

Randfigur früh verschwunden

Von Peter Steiniger
Auch auf der heutigen Demo in Hamburg für »Grenzenlose Solidarität« hieß es »Fora Temer« (Weg mit Temer)
Der Ruf der brasilianischen Demokratiebewegung nach direkten Neuwahlen war auch an der Alster zu hören (Hamburg, 8.Juli 2017)
Brasiliens Arbeiterbewegung steht im Kampf gegen die neoliberalen Reformen der Mächtigen und Korrupten (Demonstration von Transportarbeitern in São Paulo, 30.6.2017)
Ein Fall für den Staatsanwalt: Brasiliens Präsident Michel Temer

Der Präsident blieb nicht zum Essen. Gleich nach der Arbeitssitzung der G-20-Repräsentanten am heutigen Vormittag entschwand Brasiliens Staatschef Michel Temer in Richtung Flughafen, um die Heimreise anzutreten. Bereits zuvor wirkte er wie der Wirklichkeit entrückt. Sein Land blühte in seinen Worten auf. Die Wirtschaft brumme dank der Politik seiner Regierung wieder, die Inflation würde sinken, Arbeitsplätze seien im Entstehen. Tatsächlich hat die Erwerbslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen und schließt offiziell 14 Millionen – in der Realität weit mehr Brasilianer – vom Arbeitsmarkt aus.

Während eines Treffens der Chefs der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) am Freitag hatte Temer behauptet: »Brasilien überwindet gerade eine der schwersten Krisen seiner Geschichte, dank der ambitionierten Reformagenda, die Wachstum und Beschäftigung zurückbringt.« Diese sogenannten Reformen zielen auf eine Demontage der Sozialsysteme und des Arbeitsrechts. Fragen der Presse zur politischen Krise in seinem Land unterband der Präsident mit erhobenem Zeigefinger. Er verwies während des Gipfels auch mehrfach auf die großartigen Möglichkeiten, die sein Land Geschäftemachern böte.

Nun muss Temer sich dringend wieder den eigenen Geschäften widmen. Spezialisiert ist er auf die schmutzigen. Ihm droht ein Prozess wegen Korruption und weiterer krimineller Machenschaften und damit der Amtsverlust. In Brasilien wird bereits diskutiert, wer dann die Geschäfte führt. Während seines kurzen Abstechers nach Hamburg – seine Teilnahme am Gipfel hatte er zwischenzeitlich sogar abgesagt – hat sich das Kräfteverhältnis im Kongress, der einer Klage des Generalstaatsanwalts grünes Licht geben muss, weiter zu seinen Ungunsten verschoben. Auch das rechte Lager ist in der Causa Temer gespalten. Erst im Mai vergangenen Jahres war dieser im Bündnis mit den konservativen Wahlverlierern von 2014 durch eine Amtsenthebung der legitimen Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei an die Macht gelangt. Nun könnte er die Sonne bald quadratisch aufgehen sehen, wie man in Brasilien sagt.

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