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07.07.2017, 17:32:33 / No G20

Rebellion gegen G 20

Tausende widersetzen sich in Hamburg den Verboten von Demonstrationen, protestieren gegen Repression und Kapitalismus
Von Claudia Wangerin, John Lütten, Kristian Stemmler, Georg Hoppe und André Scheer, Hamburg
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Am Freitag ging die geballte Staatsmacht gegen friedliche Blockierer vor, etwa 120 Festnahmen soll es bis zum Mittag gegeben haben. Es gab wieder etliche Verletzte

Tausende Menschen haben sich auch am Freitag an Aktionen gegen den G-20-Gipfel in Hamburg beteiligt. Die Organisatoren der Kampagne »Block G 20« sprachen von mindestens 5.000 Menschen, die sich an verschiedenen Stellen der Stadt an Blockaden der Zufahrtswege zu den Messehallen, dem Austragungsort des Treffens, beteiligt hätten. »Wir haben unser Ziel erreicht und ein deutliches Zeichen gegen den Wahnsinn der G 20 gesetzt. Alle ›Blockadefinger‹ haben die sogenannte blaue Zone erreicht. Einige G-20-Delegationen mussten umkehren und konnten den Gipfelort nur über große Umwege erreichen. Damit haben wir erfolgreich Sand ins Getriebe des Gipfels gestreut«, zeigte sich Bündnissprecherin Jana Schneider zufrieden. »Die vielen Aktivistinnen und Aktivisten nehmen sich ihr Recht, sie nehmen sich die Straße zurück. Sie haben keine Angst mehr«, ergänzte ihr Kollege Nico Berg. Auch die Organisatoren der Blockadeaktionen im Hamburger Hafen zeigten sich zufrieden.

Die ersten Gruppen von Blockierern hatten sich am frühen Morgen versammelt. So trafen sich an den Landungsbrücken etwa 400 Menschen, viele von ihnen in Tapezieranzügen oder lila Verkleidung als sogenannte Blockadefinger. Die meist jungen Leute gingen dann zügig in Richtung Heiligengeistfeld los, wurden jedoch von der Polizei gestoppt. Daraufhin wichen sie den Sperren aus und gingen um das Bismarckdenkmal herum weiter. An der Rothesoodstraße wurde die Gruppe fast eine Stunde lang von der Polizei eingekesselt, bis die Demonstranten gegen 8.30 Uhr in Richtung Innenstadt weitergehen konnten.

In der Bergstraße nahe Rathausmarkt vereinten sich mehrere Kleingruppen zu einer weiteren Sitzblockade, die von der Polizei schnell aufgelöst wurde. In der Domstraße wurden kurz darauf bis zu 150 Demonstranten festgesetzt.

Insgesamt handelte es sich bei den Teilnehmern der Aktionen um gutgelaunte, lockere und agile Menschen, nicht um militante Straßenkämpfer. Von »massiven Ausschreitungen«, wie die Polizei in einer Pressemitteilung behauptete, konnte zumindest in den von uns beobachteten Fällen nicht die Rede sein – jedenfalls nicht von seiten der Demonstranten.

Am Gorch-Fock-Wall wurde ein Diplomatenfahrzeug von Demonstranten aufgehalten. Der Fahrer der schwarzen Limousine gab jedoch Gas, überrollte ein Fahrrad und gefährdete die jungen Menschen, die sich durch Hechtsprünge in Sicherheit bringen mussten. Vor der Europapassage am Jungfernstieg zog ein junger Mann seine Begleiterin im letzten Moment aus dem Weg, sonst wäre sie unter die Räder gekommen.

An anderen Stellen setzte die Staatsmacht Wasserwerfer und Reizgas gegen die gewaltfrei Protestierenden ein. »An mehreren Stellen sind Polizisten mit Bürgerkriegsgerät gegen friedliche Sitzblockaden vorgegangen«, stellte Christian Blank fest. Vorläufigen Informationen zufolge mussten allein am Freitag vormittag 14 Verletzte in die Krankenhäuser gebracht werden. Eine Person sei trotz eines offenen Knochenbruchs von der Polizei festgenommen und in die Gefangenensammelstelle in Harburg gebracht worden. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke kritisierte in diesem Zusammenhang am Freitag, dass den Rechtsvertretern der Zugang zu den Festgehaltenen verweigert werde. Sie sprach von etwa 120 Festnahmen bis zum Mittag.

Mehr Menschen als erwartet beteiligten sich am Vormittag am Bildungsstreik, zu dem das Bündnis »Jugend gegen G 20« aufgerufen hatte. Um 10.30 Uhr versammelten sich am Deichtorplatz rund 1.500 Schüler, Auszubildende und andere Jugendliche. Dabei kam es zum Auftakt zu einer gefährlichen Situation, als sich Schüler einem vorbeifahrenden Polizeikonvoi in den Weg stellen wollten. Die Fahrzeuge bremsten nicht ab, so dass sich die Jugendlichen nur knapp davor retten konnten, überfahren zu werden. Zu ähnlichen Situationen kam es im Stadtgebiet mehrfach, es waren Verletzte zu beklagen. Ein Schüler sagte gegenüber junge Welt, er sei bis jetzt davon ausgegangen, Leib und Leben seien sicher, solange man die Polizisten nicht direkt angreife. Dies habe sich nach seinen Erfahrungen in den letzten Tagen geändert.

Die Kundgebung und die Demonstration der Jugendlichen waren kämpferisch. Man zeigte sich solidarisch mit den Aktivisten, die sich an den Blockadeaktionen beteiligten. Gefordert wurde eine Bildung, die nicht nur auf die Abrichtung zur Lohnarbeit abziele. Auf Transparenten wurden Alternativen zum Kapitalismus, Versammlungsfreiheit und eine lebenswerte Zukunft eingefordert. Die Fahnen vieler Jugendorganisationen und Gewerkschaften waren zu sehen, unter anderem zeigten IG Metall, Verdi und GEW Flagge.

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