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Aus: Ausgabe vom 21.06.2006, Seite 9 / Inland

Börsenhöhenflug für Siemens

Merkel lobt COM-Ausgliederung trotz Arbeitsplatzvernichtung als »Geschenk«
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Gründung des weltweit drittgrößten Telekom-Ausrüsters durch Siemens und Nokia trotz des drohenden Verlusts von bis zu 9000 Arbeitsplätzen bei Siemens als »Geschenk« bezeichnet. Nach einer Unterredung mit der finnischen Präsidentin Tarja Halonen am Dienstag in Berlin sagte sie, Deutschland bewundere vieles, was Finnland in Vorbereitung auf die Globalisierung gelungen sei. Mit der am Vortag überraschend angekündigten Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Nokia Siemens Networks gebe es auch wirtschaftlich ein weiteres gemeinsames Projekt, sagte die Kanzlerin.

Als »Geschenk« wurde die Megafusion offenbar auch von Börsenspekulanten empfunden. Die Aussicht auf höhere Gewinne wegen der geplanten »Verschlankung« bescherte der Siemensaktie mit einem Plus von 6,8 Prozent einen regelrechten Höhenflug.

Nicht gerade beschenkt fühlen sich dagegen der Siemens-Betriebsrat und die IG Metall. In einer gemeinsamen Presseerklärung verurteilten sie die Abtrennung des Geschäftsbereiches Kommunikation. Dieser sei »das Kerngeschäft von Siemens« gewesen und hätte nach wie vor »enormes Innovationspotential und hervorragende Wachstumsaussichten« gehabt.


Es sei »ungeheuerlich«, daß die Mitarbeiter zunächst durch Mehrarbeit und Einkommensverzicht und jetzt schließlich durch Arbeitsplatzverlust für gravierende Managementfehler bluten müßten.

Protest gab es auch in Berlin. Siemens-Betriebsrat Markus Dahms wies in einer Erklärung der Berliner WASG darauf hin, daß Siemens-COM keineswegs rote Zahlen geschrieben habe. Der Bereich habe allerdings mit drei Prozent Kapitalrendite für die Konzernleitung »zu wenig« Gewinn erwirtschaftet. Wegen der hohen Renditeziele werde »ein technologisch zentraler Bereich der Siemens AG aufgegeben und Tausende hochqualifizierte Arbeiter und Angestellte in eine ungewisse Zukunft entlassen«, heißt es weiter in der Erklärung. Auch in Berlin seien viele Arbeitsplätze durch die Ausgliederung bedroht.

(AP/ddp/jW)

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