Erholung wird zum Luxusgut
Von Gudrun Giese
Mehr als 17 Millionen Menschen hierzulande konnten sich 2024 keine einwöchige Urlaubsreise leisten, meldete am Dienstag das Statistische Bundesamt (Destatis). Gegenüber dem Vorjahr bedeutete das einen leichten Rückgang um zwei Punkte auf 21 Prozent der Bevölkerung. Andere Menschen werden krank, sobald sie ein paar Tage frei haben, fand die Internationale Hochschule (IU) heraus.
Ganz besonders oft fehlt Alleinerziehenden das Geld für einen Urlaub: Laut Destatis-Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) war es 38 Prozent aus dieser Bevölkerungsgruppe finanziell nicht möglich, eine einwöchige Urlaubsreise für sich und ihre Kinder zu finanzieren. Singles mangele es mit 29 Prozent ebenfalls stärker als dem Durchschnitt der Bundesbürger an Geld für eine kurze Reise. Erwartungsgemäß zählten Paare ohne Kinder zu den reisefreudigsten Menschen. Aus dieser Gruppe hatten lediglich 15 Prozent nicht die finanziellen Mittel für eine einwöchige Urlaubsfahrt. In Haushalten mit zwei Erwachsenen und Kindern hängt es vor allem von der zahlenmäßigen Größe des Nachwuchses ab, ob die Familie sich eine Reise leisten kann oder nicht. 16 Prozent der Paare mit einem oder zwei Kindern verfügten nicht über ausreichende Mittel dafür. Bei Familien mit drei und mehr Kindern war das für 29 Prozent der Fall.
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern können Bundesbürger etwas häufiger verreisen als der Durchschnitt, der 2024 bei 27 Prozent lag, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat mitteilte. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten fallen dabei sehr groß aus: Nur neun Prozent der Luxemburger, zwölf Prozent der Schweden und 13 Prozent der Niederländer konnten sich aus Geldmangel keinen Urlaub leisten. Demgegenüber zählten 59 Prozent der Rumänen, 46 Prozent der Griechen und 41 Prozent der Bulgaren zur Gruppe derer, die keine einwöchige Reise finanzieren konnten.
Aber auch wer sich in Deutschland eine Urlaubsreise leisten kann, ist immer häufiger nicht in der Lage, sie anzutreten. Grund dafür ist die »Leisure Sickness«, zu Deutsch: Freizeitkrankheit, die zum Ferienbeginn oder an freien Tagen einsetzt. Das ist Ergebnis einer repräsentativen Befragung der privaten Internationalen Hochschule (IU) mit Hauptsitz in Erfurt. Dafür befragten Forscher vom 24. Januar bis zum 6. Februar 2.004 werktätige Menschen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 65 Jahren. 71,9 Prozent der Befragten gaben danach an, »Leisure Sickness« zu kennen. 19,3 Prozent erleben es immer oder häufig, wenn freie Tage anstehen. Die häufigsten Symptome sind Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafprobleme, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Erkältungssymptome. 38,4 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten, generell nach einem Arbeitstag schlecht abschalten zu können. »Die Ergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Erholung klare Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen sind«, fasste Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement an der IU und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz, die Ursachen von Leisure Sickness zusammen.
Zwar erklärten 95,5 Prozent der Befragten, dass ihnen Erholung und Freizeit wichtig seien. Aber vier von zehn abhängig Beschäftigten in Deutschland können sich am Feierabend und an freien Tagen nicht ausreichend erholen. Vor allem jüngeren Menschen fehlten Strategien zur Stressbewältigung, so die IU-Wissenschaftlerin. Sie belasteten sich auch in ihrer Freizeit mit der Nutzung »sozialer Medien« und fühlten sich zudem stärker verpflichtet, auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Dass vor allem die Unternehmen in der Pflicht seien, mehr Unterstützung anzubieten, fanden laut dem Studienergebnis 63,6 Prozent der Beschäftigten.
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