Gegründet 1947 Dienstag, 10. Juni 2025, Nr. 131
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Online Extra
09.06.2025, 15:44:24 / Sport
Fußball

Revanche der alten Recken

Portugal gewinnt erneut die Nations League. Den Deutschen fehlt der Knipser
Von André Dahlmeyer
Portugal_Spanien_86274638.jpg
Wir kennen uns doch: Cristiano Ronaldo hat wieder was für den Trophäenschrank (München, 9.6.2025)

In den Jahren ohne WM und EM wird seit der Saison 2018/19 von allen 55 Mitgliedsverbänden die UEFA Nations League gespielt. Das Abschneiden hat Einfluss auf die europäische WM-Qualifikation. So landeten etwa alle Viertelfinalteilnehmer der aktuellen Edition im begehrten Lostopf eins. Die Halbfinalisten, darunter Deutschland, werden weiter übervorteilt: sie müssen nur in Vierergruppen antreten. Während die Südamerika-Qualifikation für die WM in den Vereinigten Staaten im September nach zwei Jahren und 18 Spielen pro Teilnehmer zu Ende geht, steigt Deutschland erst im September ein und nach drei Monaten und lediglich sechs Matches (darunter zwei gegen Balltretschwergewicht Luxemburg) ist der Spuk bereits wieder vorbei. Vier Vertreter aus der Nations League rücken auch für die im März 2026 stattfindenden Playoffs der WM-Quali nach, welche die letzten vier europäischen Teilnehmer ermitteln. Die ersten drei Editionen der Nations League gingen an Portugal, Frankreich und Spanien. Deutschland kam nie aufs Podium.

Dieses Mal reichte es wieder nicht. Am Sonntag beim Spiel um Platz drei in Stuttgart erwies sich auch die B-Elf von Vizeweltmeister Frankreich als eine Nummer zu groß für die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Dabei war nach der peinlichen Niederlage gegen Portugal (1:2), die in der Weltpresse so einiges an Häme nach sich zog, Wiedergutmachung geschworen worden. Davon war nichts zu sehen. Zwar begannen die Deutschen gewillt. Das Problem ist nur: Sie haben keinen Knipser. Jedenfalls keinen, der trifft. Deutschland benötigt viel zu viele Chancen, meist gehen sie nicht rein. Mit Pech hat das nichts mehr zu tun. Und der französische Keeper Mike Maignan ist nicht Superman. Das Tandem Kai Havertz–Florian Wirtz ist mehr als interessant. Doch fehlt einer der beiden, ist da kein Plan B. Kurz vor der Pause setzte Aurélien Tchouaméni seinen königlichen Vereinskollegen Kylian Mbappé ein und der brach den Bann mit seinem 50. Länderspieltreffer.

Ein Tor zum falschen Zeitpunkt. Nach dem Wechsel spielte nur noch Frankreich. Ein Klassenunterschied. Dass das Match nicht 5:0 oder höher ausging, lag einzig und allein an Marc-André ter Stegen, der nach der diskreten Leistung gegen Portugal Weltklasse hielt. Später legte Mbappé noch für Bayerns Michael Olise zum 2:0 Endstand auf. Fazit: Der Stuttgarter Hüne Nick Woltemade ist eine Bereicherung für das DFB-Team, der Dortmunder Dribbelkünstler Karim Adeyemi hat das Zeug zum Weltstar, der Frankfurter Robin Koch war ein Totalausfall, das Foul von Niclas Füllkrug war ein gezielter Karateschlag in die Nieren, also direkt Rot.

Beim iberischen Finale in München traten selbentags mit Portugal und Spanien die einzigen im Wettbewerb unbesiegten Teams aufeinander. Wer hier Schönheit erwartete, war auf dem falschen Dampfer. Portugal ist genauso ätzend zu bespielen wie Uruguay, abgesehen davon stellen sie mit Bernardo Silva, Vitinha und Bruno Fernandes das mit Abstand schillerndste Dreier-Mittelfeld der Welt (Argentinien spielt mit vier). Während im Champions League-Finale noch Jugend über Referenz triumphierte, stellen sich Portugal Routiniers (zwei Ü30, ein Ü40) stur. Sie machen, was sie am besten können, und das können sie sehr gut. Europameister und Titelverteidiger Spanien ging zweimal in Führung, ausnahmslos wegen technischer Pannen bei den Portugiesen. Die glichen zweimal aus. Anschließend fanden jeweils nur noch positionelle Wechsel statt, die verrauchten, also ging es ins Elfmeterschießen – der Verlierer würde unbesiegt bleiben.

Als Alvaro Morata zum Punkt schritt sah ich, dass er nicht treffen würde. Ausgerechnet der Junge, den in Spanien niemand mag. Wäre er als Europameister zurückgetreten, würden sie jetzt nicht wieder Kübel von Gülle über ihm auskippen. Leid tut er mir nicht.

Auffällig, wie leicht es scheinbar ist, Lamine Yamal (17), auszuschalten, den aktuell besten Balltreter der Welt. Meine These: Seine Rückennummer 19 weißt drauf hin, dass er mit 19 Weltmeister sein will. Das Finale in East Rutherford ist sechs Tage nach seinem Geburtstag. Zum Schluss: Cristiano Ronaldo ist für mich einer der wichtigsten Sportler aller Zeiten. Fast so groß wie Muhammad Ali und Manu Ginóbili.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!