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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 16 / Sport
Fußballrealität

Mitten im Sumpf

Fliegen verscheuchen: Die chinesische Antikorruptionskampagne trifft nun auch Sportfunktionäre
Von Georges Hallermayer
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Bislang der höchste chinesische Sportfunktionär, der wegen Korruption im Gefängnis landet: Chen Xuyuan

Seit zehn Jahren läuft in China eine Kampagne gegen Korruption, in Partei wie Wirtschaft. »Die Fliegen verscheuchen, die Tiger in den Käfig«, so umschrieb Präsident Xi Jinping die Ziele. Zigtausende von »Fliegen« verloren ihren Einfluss, Hunderte von »Tigern« wurden strafrechtlich belangt. Neben Untersuchungen in der Pharmaindustrie und der Bankenwelt wurde anlässlich der Olympischen Spiele der korrupte Sumpf im Sport angegangen. Nun melden die Medien mehrere abschreckende Urteile: Chinesische Gerichte verhängten Strafen von acht Jahren Zuchthaus bis lebenslänglich wegen Bestechung und diverser Finanzmanipulationen.

Chen Xuyuan, der ehemalige Chef des chinesischen Fußballverbands (CFA), wurde wegen der Annahme von Bestechungsgeldern in Millionenhöhe zu lebenslanger Haft verurteilt. Damit ist er einer der höchsten chinesischen Fußballfunktionäre, die im Rahmen der umfassenden Korruptionsbekämpfung bestraft wurden. Der heute 67jährige wurde verurteilt, weil er in der Zeit von 2010 bis 2023, vornehmlich als Vorsitzender des chinesischen Fußballverbands, nachweislich umgerechnet mindestens 11,2 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern angenommen hatte. Das Gericht in Huangshi in der zentralchinesischen Provinz Hubei erklärte, Chen Xuyuan habe seine Position ausgenutzt, um Gefallen zu erweisen, die »die Integrität des Sports gefährdet haben«, so die chinesische Wirtschaftszeitung Caixin am 26. März 2024. Er war u. a. an Spielabsprachen beteiligt. Die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, dass sein gesamter Besitz beschlagnahmt und seine unrechtmäßigen Gewinne eingezogen worden seien.

Der frühere hochrangige Fußballfunktionär Chen Yongliang erhielt für die gleichen Verbrechen eine Haftstrafe von 14 Jahren. Und der ehemalige Geschäftsführer der Chinese Football Association Super League muss acht Jahre ins Gefängnis. Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, dass die Liga vornehmlich von mittlerweile von der Pleite bedrohten Immobilienfirmen »unterstützt« wurde. Nichtsdestotrotz blieben internationale Erfolge aus: Die Herrennationalmannschaft wird vom Weltfußballverband FIFA auf Platz 88 und die der Frauen auf Platz 19 gelistet.

Dass sich die chinesische Antikorruptionsbehörde aktuell bemüht, den Augiasstall auszumisten, zeigt auch der Fall des ehemaligen Cheftrainers der chinesischen Fußballnationalmannschaft der Männer. Der 46jährige Li Tie, als Mittelfeldspieler Profi in England, coachte das Team der Volksrepublik von 2019 bis 2021. Er habe sowohl in offizieller Funktion als auch privat Bestechungsgelder angeboten als auch angenommen (umgerechnet insgesamt 15 Millionen US-Dollar), lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft der Provinz Hubei im letzten August. In der Gerichtsverhandlung vor dem Zwischenvolksgericht in Xianning hat Li Tie zugegeben, dass er in den vergangenen zehn Jahren Spiele in den unteren Ligen manipuliert und umgerechnet 418.000 US-Dollar gezahlt habe, um den Posten des Nationaltrainers zu erhalten. Das Geld ging an den nunmehr verurteilten, damaligen Verbandspräsidenten Chen Xuyuan sowie an den damaligen Generalsekretär des CFA.

Der ehemalige, im ganzen Lande bekannte Sportkommentator im staatlichen TV-Sender CCTV Duan Xuan, ist seit Sommer letzten Jahres aus der Öffentlichkeit verschwunden. Insider berichteten Caixin, dass er mit einem Bestechungsfall in Verbindung steht, in den ein ehemaliger Funktionär verwickelt ist, der für die Vorbereitungen der Olympischen Spiele 2022 zuständig war. Duan Xuan wird beschuldigt, Liu Aijie, einen ehemaligen Direktor des Vorbereitungsbüros für die Olympischen Spiele der General Administration of Sport (GAS), bestochen zu haben. Duan wollte, so Caixin, sportartübergreifend Talente rekrutieren und in den Genuss von Vorteilen im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen 2022 in Beijing kommen. Gegen Liu Aijie wurde im Januar vom Mittleren Volksgericht Hebi in der zentralchinesischen Provinz Henan eine Geldstrafe von umgerechnet rund 280.000 US-Dollar verhängt. Im Rahmen der aktuellen Aktionen gegen die Korruption wurde zudem der ehemalige Chef des Nationalen Leichtathletikverbandes, Hong Chen, zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Auch er soll Bestechungsgelder angenommen haben.

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