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Online Extra
23.03.2024, 11:02:38 / Ausland
Terroranschlag

Mehr als 140 Tote nahe Moskau

»Islamischer Staat« bekennt sich zu Überfall auf Konzerthalle im Moskauer Umland. USA hatten Russland Anfang März vor möglichen Anschlägen gewarnt
Von Reinhard Lauterbach
Anteilnahme nach dem Anschlag in Moskau: Blumen am Zaun der Russ
Anteilnahme nach Anschlag in Moskau: Blumen am Zaun der Russischen Botschaft in Berlin.

Bei einem Anschlag auf eine vollbesetzte Konzerthalle am Rande von Moskau sind am Freitag Abend offiziellen Angaben zufolge mindestens 143 Menschen getötet und 140 verletzt worden. Ein Teil von ihnen befindet sich offenbar in so lebensbedrohlichem Zustand, dass das russische Ermittlungskomitee davon sprach, die Zahl der Toten werde vermutlich noch steigen. Wenige Stunden nach der Tat wurde ein Bekennerschreiben veröffentlcht, in dem sich der »Islamische Staat Khorasan« zu dem Angriff bekannte.

Videos von Augenzeugen der Ereignissse zeigen, dass zwischen drei und fünf Männer in Tarnkleidung kurz vor dem angekündigten Beginn eines Auftritts der russsischen Popgruppe »Piknik« in das Gebäude der »Crocus City Hall« in Krasnogorsk eindrangen und sofort um sich zu schießen begannen. Andere legten offenbar Feuer auf dem Dach des Gebäudes. Dieser Brand behinderte die Rettungsarbeiten und war bis zum Samstag vormittag noch nicht gelöscht.

Nach Angaben der russischen Behörden wurden bis zum Samstag elf Personen im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen, darunter angeblich die vier unmittelbaren Schützen. Sie seien auf der Flucht in Richtung Ukraine im Gebiet Brjansk gestellt worden. Zwei weitere Insassen des Fluchtwagens seien in einen Wald geflohen. Es handle sich bei allen Festgenommenen um tadschikische Staatsbürger.

Vertreter des russischen Geheimdienstes bestätigten westliche Berichte, dass US-Geheimdienste Anfang März Russland über drohende Anschläge auf Großveranstaltungen gewarnt haben. Die Warnungen seien jedoch so allgemein gehalten gewesen, dass sich aus ihnen nichts Konkretes ergeben habe. Die russischen Behörden hatten die Warnung kurz vor der Wahl offenbar als Provokation mit dem Ziel eingeschätzt, Verunsicherung zu säen. Das könnte sich jetzt gerächt haben. Es fällt auf, dass russische Offizielle aller Ebenen sehr schnell großzügige Entschädigungen für die Hinterbliebenen versprachen – als wollten sie eine »Fehlerdiskussion« im Keim zu ersticken suchen.

Das US-Außenministerium hatte schon kurz nach dem Anschlag in einer Stellungnahme auf seine früheren Warnungen hingewiesen und Russland davor gewarnt, die Ukraine für den Anschlag verantwortlich zu machen. Das russische Außenministerium kritisierte dies als voreiligen Versuch, einen möglichen Verdächtigen zu entlasten. Der ukrainische Präsidentenberater Mikola Podoljak wies für sein Land jede Verwicklung in den Anschlag zurück. Dies hinderte Moskauer Hardlinepolitiker wie den früheren Staatspräsidenten Dmitrij Medwedjew jedoch nicht daran, in sozialen Netzwerken der Ukraine Vergeltung anzudrohen.

Weltweit kamen Verurteilungen des Anschlags, auch von Regierungen, die normalerweise feindselig gegenüber Russland eingestellt sind, wie der polnischen. Für die Bundesregierung erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf X, Deutschland verurteile »den schrecklichen Terrorangriff auf unschuldige Konzertbesucher in Moskau«. Es hörte sich fast an, als könne er für einen Angriff auf »Schuldige« mehr Verständnis aufbringen.

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