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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 16 / Sport
Fußballiteratur

Ich und Maradona

Sportfreunde-Stiller-Schlagzeuger Florian Weber hat ein Fanbuch über sich und Maradona geschrieben
Von René Hamann
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Der sterbende Schwan: Maradona (oben), Harald Schumacher und Karlheinz Förster (unten) im WM-Finale 1986 in Mexiko

Diego Armando Maradona ist tot. Nun, das ist keine Neuigkeit. Tot ist er schon länger, seit dem 25. November 2020. Er wurde immerhin 60 Jahre alt. Tot sind inzwischen auch Pelé, Gerd Müller, Franz Beckenbauer. Tot ist der gesamte Kader der Wir-sind-wieder-wer-Weltmeister von 1954, und tot sind neben den beiden oben genannten zwei weitere Weltmeister von 1974. Paolo Rossi ist tot, und tot ist erstaunlicherweise auch der erste Weltmeister von 1990, ausgerechnet der Finaltorschütze in diesem erstaunlich eindeutigen Endspiel von Rom, Andreas Brehme.

Auf der anderen Seite damals: eben er, Maradona. Kapitän einer widernatürlich defensiv eingestellten Mannschaft, die vermutlich nicht mehr so gut war wie 1986, als sie mit ihm, dem Magier, und schönem Offensivfußball den Titel holten. So wie Maradona vier Jahre später selbst nicht mehr ganz so gut war. Warum ich das alles erzähle? Weil es in diesem hier zu besprechenden Buch, »Maradona Mío« von Florian Weber, um eben jenen Diego Armando Maradona gehen soll.

Florian Weber ist Schlagzeuger und Manchmalsänger der Münchener Band Sportfreunde Stiller. Die sind nicht tot, sondern wohl noch existent. Ihre größte Zeit, und davon wird in diesem kleinen, feinen Band von 96 Seiten am meisten erzählt, hatten sie rund um das Sommermärchen der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Da hatten sie ihren größten Hit, nämlich jenes »’54, ’74, ’90, 2006«, das als Lied allein den vierten Stern holen sollte, der bekanntlich erst 2014 in Rio aufs deutsche Nationaltrikot herunterfiel.

Inzwischen ist Weber hauptberuflich Autor. Die Sportfreunde und er teilen sich eine große Leidenschaft, nämlich den Fußball. Die Band selbst muss man sich als Münchener Versuch vorstellen, auch endlich mal cool zu sein, Popkultur in einem 11 Freunde-Sinn abzufeiern und auch irgendwas mit Indierock zu machen. Eine Weile lang war man damit erfolgreich; auch wenn ich jetzt zum Beispiel nie etwas mit ihnen anfangen konnte: Die Sportfreunde Stiller waren (mir) immer zu Gute-Laune-Terror-haft, zu grinsend, zu grundlos erfolgsverwöhnt, zu münchnerisch ohne den bayerischen Schmäh, für den der frühe Achternbusch und Kroetz standen, oder musikalisch FSK. Sie waren im Grunde wie »Schland« als Band. Nein, nicht »im Grunde«: Sie waren genau das: »Schland« als Band.

Ähnlich wie die Sportfreunde Stiller und ihre Musik funktioniert auch das Buch: mehr oder weniger ungebrochenes Fantum von der ersten bis zur letzten Seite, durchweg heiter und entlang der eigenen Biographie erzählt, anekdotenreich und unterhaltsam. Sie waren dabei, sie hatten eine saugute Zeit, sie fanden es geil. Sich selbst, das Leben, die anderen Promis. Und Maradona. Den besonders.

Problem: Warum eigentlich wird nicht ganz klar. Natürlich, Maradona war ein Großer, für viele ist er immer noch der Größte. Aber hat nicht Messi in Katar gezeigt, dass er aus dem Schatten des Giganten getreten ist und seinerseits den Titel des GOAT (Greatest of all times) mit Recht beansprucht? Natürlich kommt Messi im Buch vor, zweimal sogar, zum ersten Mal auf Seite 31. Im wesentlichen aber bleibt Weber bei Maradona. Bei Maradona und Weber. Bestünde die Aufgabe eines Fanbuchs, das es neben einer kleinen Quasibiographie ja auch sein soll, nicht aber darin: im Versuch, den Mythos zu erklären?

Geht gar nicht? Hm, doch, ginge schon. Interessiert Florian Weber aber nicht. Macht nichts, er ist Löwenfan, das toppt sogar Lautern-, Schalke- oder HSV-Fans: Er blendet das Scheitern aus und erzählt von den guten Zeiten.

Florian Weber: Maradona Mío. Mein Leben mit dem Besten. Verlag Voland & Quist, Dresden 2024, 96 Seiten, 12 Euro

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