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Aus: Ausgabe vom 09.02.2024, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Tennisbälle

Von René Lau

Proteste gibt es derzeit überall reichlich. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass es Meldungen über Demonstrationen, (nicht mehr) festgeklebte Jugendliche oder rollende Traktoren gibt. Über den Inhalt eines Protests lässt sich immer streiten. Denn zum Glück müssen wir nicht alle der gleichen Meinung sein wie unser Nachbar oder Arbeitskollege. Leben und leben lassen, sollte da die Devise sein.

Das gilt natürlich auch für den Fanprotest, den wir alle am letzten Sonnabend live im Berliner Olympiastadion oder am Fernseher erlebt haben. Was war passiert? Aus beiden Fanblöcken flogen Tennisbälle auf das Spielfeld, was zu einer insgesamt 32minütigen Unterbrechung der Partie führte. Glaubt man aber dem Boulevard oder den Kommentatoren der Liveübertragung im Bezahlfernsehen, wurde mit dieser Aktion der deutsche Fußball zu Grabe getragen. Fast dachte man, die Kommentatoren seien dem Herzinfarkt nah oder zumindest würden gleich die Tränen rollen. Und das alles wegen eines absolut friedlichen Protests mit Tennisbällen.

Man muss kein Träumer sein, um zu begreifen, dass es Schlimmeres gibt. Aber haben sich alle, die angesichts dieses Protests schon Schnappatmung bekamen, einmal ernsthaft darüber Gedanken gemacht, worum es dabei eigentlich ging? Ja, die Fans protestierten gegen den Investorendeal der Deutschen Fuß­bal­liga (DFL). Und aus meiner Sicht auch absolut berechtigt. Zwar ist die DFL sicherlich nicht dazu verpflichtet, mit jeder Fanszene auch ihre gesellschaftsrechtlichen Veränderungen abzustimmen, doch mehr Transparenz und Ehrlichkeit wären angebracht gewesen. Denn schließlich sind es die Fans, die ein entscheidender Teil des teuer verkaufbaren Produkts »Fußball« sind. Ohne sie ist der Fußball kaum zu vermarkten. Schon wenn wir nur an die leidigen Geisterspiele der Coronazeit denken oder an eine 12minütige Stille zu Beginn von Spielen, wird das klar.

Und die Gründe des Protests liegen tiefer. In Zeiten, in denen Fanrechte immer weiter eingeschränkt werden, der Spieltag auch im Pokal immer weiter zerstückelt und eher ein dezentes Tennispublikum statt aktiver lauter Fans gewünscht wird (allerdings haben die Verantwortlichen wohl auch noch nie ein tumultuöses Tennismatch an einem bierseligen Spätnachmittag auf einem Außenplatz z. B. in Paris oder Melbourne miterlebt), muss es zu einem Aufschrei kommen. Solange Verbände und Vereine weiter so arrogant mit den Fans umgehen und sie nur als schöne, lebendige Kulisse benutzen wollen, statt auf ihre Belange einzugehen, werden die Proteste nicht enden.

Bis dahin gilt auch von mir: Wir brauchen mehr Tennisbälle.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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