Nerudas Chauffeur verstorben
Von Volker Hermsdorf
Santiago de Chile. Manuel Araya, der ehemalige Chauffeur des chilenischen Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda, ist nach Angaben der Kommunistische Partei Chiles vom Mittwoch (Ortszeit) am Dienstag im Alter von 77 Jahren verstorben. Todesursache sei ein Aneurysma gewesen, mit dem er nach Herz-Kreislauf-Problemen am 12. Juni ein Krankenhaus aufgesucht hatte.
Araya hatte stets die offizielle Version angezweifelt, wonach Nerudas Tod am 23. September 1973 – zwölf Tage nach dem faschistischen Militärputsch – auf Komplikationen durch metastasierenden Prostatakrebs zurückzuführen sei. Statt dessen hatte er behauptet, dass Neruda in einer Privatklinik vergiftet wurde, bevor er ins Exil ging. Araya, der den Dichter jahrelang auf seinen Reisen begleitet hatte, war eine der ständig präsenten Personen in dessen inneren Kreis. Seit mehr als zwölf Jahren bewegt Chile das Schicksal des Nationaldichters, der ein enger Freund von Salvador Allende war, dem 1970 gewählten und 1973 von rechten Militärs und den USA gestürzten marxistischen Präsidenten.
Neruda lebte in einem Badeort an der chilenischen Küste. Nach dem Putsch wurde seine Residenz vom Militär umstellt wurde. Araya und die Ehefrau des Dichters, Matilde Urrutia, brachten ihn in einer Klinik in der chilenischen Hauptstadt unter, um näher am internationalen Flughafen zu sein, wo er ein Flugzeug besteigen wollte, das ihn ins mexikanische Exil bringen sollte. Doch einen Tag vorher verstarb Neruda. Die Kommunistische Partei, der der Dichter angehörte, und das Umfeld von Neruda gehen davon aus, dass der linke Autor von Schergen des Regimes ermordet wurde, um seine Ausreise nach Mexiko verhindern.
Manuel Araya hatte ausgesagt, dass Neruda, während er und Matilde Urrutia außerhalb von Santiago Besorgungen machten, anrief, um ihnen mitzuteilen, dass er eine Injektion erhalten habe und sich krank fühle. Er starb Stunden später. Rodolfo Reyes, Nerudas Neffe, sagte der Presse, dass er als Kläger im Gerichtsverfahren Zugang zu einem Bericht hatte, der bestätigt, dass sich im Körper des Schriftstellers »eine große Menge Clostridium botulinum« befand, ein Toxin, das im menschlichen Organismus Probleme verursachen kann wie zum Beispiel neben anderen Symptomen Schwierigkeiten beim Atmen, Schlucken oder Sprechen und Lähmungen – und sogar den Tod.
Araya hatte vor einiger Zeit behauptet, er habe von Anfang an Anzeige erstattet, aber in Chile sei fast nie über seine Aussagen ernsthaft berichtet worden. Nach der Vorlage eines neuen Berichts über die Todesursache Nerudas durch eine Expertenkommission von Wissenschaftlern aus Chile, Dänemark und Kanada, warte er jetzt darauf, dass die zuständigen Richterin Paola Plaza sich zu den Ergebnissen äußert, sagte Araya Anfang des Jahres. Er sei der glücklichste Mensch des Landes, weil dieser Punkt endlich erreicht wurde und bewiesen werde, dass Neruda durch diese Injektion getötet wurde. (Volker Hermsdorf)
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