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15.10.2019, 19:31:59 / Inland

Mordfall Lübcke: Neue Spur führt nach Schleswig-Holstein

Mord mit Combat 18-Waffe? Stephan Ernst, Tatverdächtiger im Fall
Mord mit Combat 18-Waffe? Stephan Ernst, Tatverdächtiger im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke

Berlin. Im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verfolgen die Ermittlungsbehörden eine Spur nach Norddeutschland. Dies berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag. Die Bundesanwaltschaft hat demnach aus Schleswig-Holstein Akten zum mutmaßlichen Mörder Stephan Ernst angefordert.

Nach RND-Informationen untersucht die oberste deutsche Anklagebehörde, ob die Tatwaffe, ein Revolver des brasilianischen Herstellers »Rossi«, Kaliber.38 Spezial, ursprünglich von der faschistischen Terrorgruppe »Combat 18 Pinneberg« stammte.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei aktenkundige Vorgänge. Am 5. April 2003 nahm Ernst an einer Demonstration gegen eine Wehrmachtsausstellung in Neumünster teil. Dort kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Ernst wurde wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte eine Frau am Hals gepackt und weggeschleudert und war bereits wegen eines 1993 verübten Bombenanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft im südhessischen Hohenstein-Steckenroth vorbestraft. Organisiert wurde die Demonstration in Neumünster vom damaligen NPD-Landeschef, Waffenhändler und »Combat 18 Pinneberg«-Mitglied Peter Borchert.

Am 28. Oktober 2003 durchsuchte die Polizei mit 300 Beamten des Staatsschutzes etwa 50 Wohnungen und Treffpunkte von »Combat 18 Pinneberg« in Schleswig-Holstein und Hamburg. Im Zuge der Razzien stellten die Fahnder ein Kassenbuch, eine »Anti-Antifa-Liste« mit Namen, Lichtbildern und Adressen politischer Gegner sowie sechs Waffen sicher, neben einer Pumpgun und einer Schrotflinte vier »Rossi«-Revolver – baugleich mit der Mordwaffe aus Kassel. Unklar ist, ob sämtliche »Rossi«-Revolver der militant-faschistischen Gruppe damals aufgespürt werden konnten.

Zu den fünf Hauptverdächtigen zählte Borchert. Der antwortete dem RND auf Anfrage, er könne nicht ausschließen, ob er Ernst begegnet ist. »Persönlichen Kontakt oder Kommunikation schließe ich aber aus«, sagte Borchert. Genau das wird zurzeit geprüft.

Als sicher gilt, dass beide einen gemeinsamen Bekannten haben, den Bad Segeberger Neonazi Bernd T., mit dem Borchert nach eigenen Angaben zwischen 1994 und 1996 in Neumünster eine Jugendstrafe verbüßte. T. lebte bis vor wenigen Wochen wie der mutmaßliche Lübcke-Mörder Ernst in Nordhessen. Beide werden der dortigen rechten Szene im Umfeld von »Combat 18« zugerechnet. T. zog erst kürzlich wieder nach Bad Segeberg zurück. Borchert will seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm haben. (jW)

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