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Aus: Ausgabe vom 12.02.2016, Seite 11 / Feuilleton

Normalbetrieb. Doku über Arbeitsmigration (Forum)

Von Kai Köhler

Gleich am Anfang erfahren wir: Ein gutes Dienstmädchen zeichnet sich dadurch aus, dass man seine Anwesenheit nicht spürt. Konsequent spart Maher Abi Samra in seiner Dokumentation über Hausangestellte im Libanon die Betroffenen aus. Man sieht sie nicht; vielmehr sieht man die Kunden und Mitarbeiter einer Agentur, die Arbeitsmigrantinnen aus Bangladesch, Äthiopien, den Philippinen und Sri Lanka vermittelt. Niemand tritt hier offen grausam auf, und tatsächlich dürften Prügel oder Vergewaltigungen die Ausnahme sein. Was irritiert, ist, aus welchen Gründen manche Kunden sich als gute Menschen zu präsentieren meinen: Weil sie der Angestellten einen wöchentlichen Anruf in die Heimat erlaubt haben zum Beispiel.

Der Besitzer der Agentur berichtet von seiner Sorge, dass die neben dem Büro einquartierten Frauen bei einem Feuer umkommen könnten, denn: Wer hat im Ernstfall den Schlüssel? Beiläufig wird damit klar, dass die Betroffenen eingesperrt sind. Anwerbung, Grundausbildung, Visum, Flug und Arbeitserlaubnis kosten mehrere tausend Dollar. Bis der Betrag mit dem minimalen Lohn abbezahlt ist, verdienen die Dienstmädchen nichts. Wenn die Kunden sie bei Nichtgefallen umtauschen (oder sie es bei einer Familie nicht aushalten), leben sie bis zur weiteren Vermittlung neben dem Büro als Gefangene. Der Besitzer schildert, wie die Polizei die jungen Frauen bei Problemen zu ihm bringt, wie er eine quasistaatliche Funktion ausübt.

Die Kamera schwenkt über abendlich erleuchtete Wohnungen, und Kundenkommentare aus dem Off zeigen, wie unterschiedlich der Umgang mit den Migrantinnen sein kann; die Statussymbole sind. Bei allem emotionalen Einsatz etwa für die Erziehung der Kinder bleiben die Dienstmädchen austauschbar. Grundrisse von Neubauwohnungen zeigen: Für ihre Unterbringung wird ein winziger Verschlag eingeplant – am besten direkt neben der Küche, wo sie ihre morgendliche Arbeit zu beginnen haben.

Weil der Film nicht skandalisiert, wirkt er umso eindringlicher. Man hat da eine völlig zum Objekt erniedrigte Person für Dienstleistungen im innersten Lebensbereich. Der Normalbetrieb der Täter, die Flüge und Visa organisieren, und der Kunden, die aus Katalogen brauchbare Zuarbeiterinnen auswählen und je nach Laune ersetzen, denunziert die kapitalistische Logik gründlicher als jeder Exzess dies könnte.

»Makhdoumin« (A Maid for Each), Regie: Maher Abi Samra, Libanon/F/Norw./Emirate 2016, 67 min, 12., 13., 15., 20.2.

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