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Aus: Ausgabe vom 11.11.1997 / Ausland

Partnerschaft ohne Allianz

China und Rußland unterzeichneten bei Gipfeltreffen Grenzvertrag
Von AP/jW

Mit der Unterzeichnung eines Grenzabkommens haben China und Rußland am Montag ihren jahrzehntelangen Streit um die 4 280 Kilometer lange gemeinsame Grenze weitgehend beigelegt. Das Teilabkommen wurde von den Präsidenten Jiang Zemin und Boris Jelzin bei ihrem Gipfeltreffen in Peking unterschrieben. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluß der Beratungen sprachen sich beide Staatschefs für eine »strategische Partnerschaft« zwischen ihren Ländern aus, ohne jedoch eine Allianz einzugehen.

Die Vereinbarung über den östlichen Teil der gemeinsamen Grenze von der Mongolei bis zum Fluß Tjumen nahe des Japanischen Meers war erst am Sonntag nach sechsjährigen Verhandlungen fertiggestellt worden. Offen ist jetzt nur noch ein Grenzverlauf von 50 Kilometern am Fluß Amur. Nach seiner Ankunft am Sonntag hatte Jelzin erklärt, allein wegen der Grenzvereinbarung habe es sich gelohnt, nach China zu kommen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Tang Guoqiang, sagte: »Wir haben ein seit Generationen bestehendes Problem gelöst.«

Die stellvertretenden Regierungschefs beider Staaten, Li Lanqing und Boris Nemzow, unterzeichneten drei Abkommen über wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit sowie über die Förderung von Gas und Rohöl. Weitere Vereinbarungen betreffen den Handelsaustausch und den Schutz der vom Aussterben bedrohten mandschurischen Tiger. Davon leben in Rußland noch etwa 400 und in China 20.

Zu den wichtigsten Themen des chinesisch-russischen Gipfels gehörten Handelsfragen. Beide Länder streben bis zum Jahr 2000 einen Handelsaustausch von jährlich 20 Milliarden Dollar an. In diesem Jahr dürfte das Handelsvolumen aber wohl nicht über sieben Milliarden Dollar liegen und damit unter dem Wert vom vergangenen Jahr bleiben. Rußland macht für den schwachen Handelsaustausch die chinesische Seite verantwortlich. Die Moskauer Nachrichtenagentur Itar-Tass zitierte den stellvertretenden Regierungschef Nemzow mit den Worten, China blockiere mit seinen Handelsgesetzen die Einfuhr russischer Waren. Jelzin und Jiang bekräftigten die Notwendigkeit einer Steigerung des Handelsvolumens.

Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz bezeichneten Jiang und Jelzin das russisch-chinesische Verhältnis als eine »strategische Partnerschaft«. Sie wiesen jedoch die Vermutung zurück, China und Rußland wollten mit einer engeren Zusammenarbeit den Einfluß der USA in der Welt zurückdrängen. »Wir werden keine Allianz bilden, und diese Art der langfristigen freundschaftlichen Beziehungen richtet sich nicht gegen ein anderes Land«, sagte Jiang.

Zum Abschluß seines dreitägigen China-Besuchs will Jelzin heute die Industriestadt Harbin im Nordosten des Landes besuchen.

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