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Aus: Ausgabe vom 04.08.1997 / Ausland

Irans neuer Präsident verspricht Frieden

Teheran lädt EU-Botschafter zur Rückkehr ein

Milde Töne haben am Sonntag den Amtswechsel an der Spitze des iranischen Staates bestimmt: Bei einer Zeremonie sprach der neue Staatspräsident Mohammed Chatami vom Willen seines Landes zur friedlichen Koexistenz. Zuvor hatte Iran die Botschafter der Europäischen Union zur Rückkehr nach Teheran eingeladen. Voraussetzung sei, daß der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland als letzter komme.

Vor Hunderten Ministern und weiteren Regierungsvertretern, anderen Würdenträgern und ausländischen Diplomaten, die alle mit untergeschlagenen Beinen auf dem teppichbelegten Boden Platz nahmen, fand der Amtswechsel in einer Moschee in Teheran statt. Auf dem Podium saßen der scheidende Präsident Haschemi Rafsandschani und Chatami als erstes gewähltes Staatsoberhaupt. Zwischen ihnen nahm das geistliche Oberhaupt des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, Platz.

Mohammed Chatami, der am Montag vor dem Parlament vereidigt wird, sagte in einer kurzen Ansprache: »International streben wir Frieden und Sicherheit an, die Botschaft unserer Revolution ist die Botschaft von Frömmigkeit, Frieden und Sicherheit.« Auf die Differenzen mit den USA ging er lediglich ein, indem er sagte, da Iran diese Ziele anstrebe, »sind wir gegen die Überheblichkeit gewisser großer Länder«. Chatami, der als gemäßigt gilt, hatte die Präsidentenwahl am 23. Mai mit sehr deutlichem Vorsprung vor Parlamentspräsident Nureq gewonnen.

Über die Rückkehr der EU-Botschafter nach Teheran sagte Rafsandschani am Sonnabend in einem Fernsehinterview: »Sie haben uns kürzlich gefragt, ob sie zurückkommen könnten, und Chamenei stimmte zu. Aber er sagte, daß Deutschland als letztes Land kommen müsse.« Alle 15 EU-Staaten außer Griechenland hatten nach den iranischen Reaktionen auf das Urteil im Berliner Mykonos- Prozeß vom 10. April ihre Botschafter aus Iran abberufen.

Ebenfalls am Samstag griff der Bürgermeister von Teheran die Hardliner in der iranischen Führung scharf an. Gholamhossein Karbaschi erklärte, konservative Kräfte stünden hinter den Festnahmen von sieben Mitarbeitern der Stadtverwaltung. »Dies sind die Taten der Fraktion, welche die Präsidentenwahl verloren hat und nun Rache zu nehmen versucht«, sagte Karbaschi. Den Vorwurf, daß sich seine Mitarbeiter der Korruption schuldig gemacht hätten, wies er zurück.

Der neue Präsident Chatami hatte bei der Wahl im Mai vor allem die städtische Bevölkerung Irans, Frauen und junge Leute angesprochen und 69 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Der 54jährige ehemalige Kulturminister gilt als toleranter Feingeist, der das gemäßigte Lager um den scheidenden Präsidenten Haschemi Rafsandschani hinter sich weiß. Er wird aber auch von den antiimperialistischen Linken unterstützt.

(AP/AFP/jW)