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Leserbrief zum Artikel Klimawandel: Am Boden bleiben vom 09.02.2021:

Bahn im Vorteil

Immerhin plädiert auch Dennis Dacke für einen ökologischeren Luftverkehr. Meint er dabei nur »ökologischer als bisher«? Denn ökologischer als die Verlegung auf die Schien, von der er »nichts hält«, dürfte dann doch etwas schwerfallen. Welche Chancen werden etwa E-Flugzeuge haben? Hinreichend leichte Speicher zu bauen, ist wohl eher schwierig – und die schweren wären wohl eher für Luftschiffe geeignet: Solche hätten zudem ein menschengerechter entschleuigtes Tempo und ergonomischere Panoramablicke – wobei die rational gerechnete Gesamtfahrtzeit im Ost-West-Luftverkehr dem Flugzeug fast gleichkäme, wenn wir die Zeit der Erholung vom Jetlag einrechnen. Dass das vorerst aufgegebene Cargolifter-Projekt ausgerechnet dem Franchtverkehr dienen sollte, obwohl die Aussicht den Frachten völlig egal ist, verstand ich schon seinerzeit nicht, während mich ein »Personenlifter« eher reizen könnte. »Nachhaltige« Flugzeugtreibstoffe etwa auf Pflanzenbasis wären mit der bekannten Tank-Teller-Konkurrenz verbunden, auch mit einer Konkurrenz zwischen Agrar- und Waldflächen – wobei wir auch letztere unter anderem zur Teilneutralisierung des Fliegerei der Vergangenheit weltweit ausdehnen müssen. – Wasserstoff oder Methan als Treibstoffe dürften realistischer sein: Beide lassen sich aus sonst »überschüssigem« Sonnen- und Windstrom herstellen, was sich ohnehin als eine Säule der Stromspeicherung etablieren wird: Dem produktionsbedingten Wirkungsgradverlust steht gegenüber, dass der Strom bei hoher Ausbeute zu Schwachlastzeiten ohnehin ungenützt bliebe oder anderweitig gespeichert werden müsste.
Andererseits lassen sich alle denkbaren Antriebsformen samt »Hybrid«-Kombination auch bei Bahnen anwenden: dort eher im Regionalverkehr, da die Fernverkehrsnetze der meisten Länder in Teilen elektrifiziert sind oder noch werden. Liegt aber schon bei klassischem Antrieb und realistischer Auslastung (außerhalb von Pandemiezeiten) der Energiebedarf pro Personenkilometer im Flugverkehr wohl etwa 20- bis 30mal (!) so hoch wie im Bahnverkehr, so würde sich diese Diskrepanz bei »Power to x« (gegenüber E-Fernbahn mit Oberleitung) eher noch weiter spreizen. Dass sich das weniger als je im Preis für den Fahrgast niederschlägt, was vor 50 Jahren wenigstens ansatzweise der Fall war, schreit natürlich nach Gegensteuerung durch Herstellung von mehr Kostenwahrheit.
Insofern pflichte ich Frau Heuwieser von »Stay Ground« bei und halte sehr im Gegensatz zu Dennis Dacke sehr viel von einer »nahezu kompletten Verlegung der Personenbeförderung auf die Schiene«. Dass diese durchaus angenommen und gewünscht wird, zeigen unter andere, die Beispiele Paris–Lyon seit 1981 oder Paris–Stuttgart seit Fertigstellung der Schnellfahrstrecke des TGV Est, die im Wechsel auch mit ICE bedient wird. Mit dem »Deutschlandtakt« als verdichtetem ICE-Netz, der Teilrenaissance transeuropäischer Fernverbindungen als Tages- oder Nachtzug, dem Lückenschluss mit Schnellfahrstrecken (Mannheim–Frankfurt–Fulda, Ulm–Augsburg, Dresden–Prag) sind schrittweise Verbesserungen geplant, die forciert und ausgeweitet werden und natürlich auch für die Fluggäste erschwinglich tarifiert werden müssen.
Bernhard May, Solingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.02.2021.