Leserbrief zum Artikel Schlagworte: Rotlicht: Hilfe zur Selbsthilfe
vom 27.01.2021:
Schwache und falsche Polemik
Die ersten zwei Sätze aus Christoph Horsts Polemik »Hilfe zur Selbsthilfe« ließen einen guten Text zu sozialer Arbeit im Kapitalismus mit dem Fokus auf deren Funktion erwarten. Leider folgte dann Ernüchterung. Horst pickt sich einen (!) Aspekt sozialer Arbeit heraus, um daran deren Verwerflichkeit festzumachen, und fährt damit seine eigentliche Kritik völlig an die Wand.
»Hilfe zur Selbsthilfe« bedeutet ja eben gerade nicht, die Probleme für die Adressat*innen zu lösen, sondern mit ihnen an Problemlösungen zu arbeiten, die nachhaltig sein sollen. Um bei Horsts Beispiel des Bewerbungsschreibens zu bleiben: Natürlich könnte der Sozialarbeiter dem Jugendlichen seine Bewerbung schreiben und abschicken. Dies würde den Jugendlichen aber tatsächlich in totaler Abhängigkeit belassen – was macht er bei der nächsten zu schreibenden Bewerbung? Statt dessen unterstützt er den Jugendlichen dabei, in diesem Bereich fit zu werden – weil es sonst offenbar niemand anderes macht.
Anderes Beispiel: Eine Sozialarbeiterin könnte einer Klientin sämtliche Anträge der für sie zustehenden Sozialleistungen ausfüllen, damit diese unkompliziert an das notwendige Geld kommt. Aber was ist danach? Totale Abhängigkeit ohne Ende, weil sie selber in der Lage bleibt, nicht für sich das ihr zustehende einzufordern.
Aber ist das richtig? Ist es richtig, Jugendliche für den kommenden Verwertungsprozess fit zu machen? Oder Menschen zu helfen, in einem entwürdigenden Sozialsystem klarzukommen? Gibt es ein richtiges Leben im falschen? Natürlich nicht. Und damit bleibt nach Horsts Logik nur noch die Frage: also gar nicht mehr helfen?
Anstatt des von Horst verächtlich und verzerrt gezeichneten Bildes sozialer Arbeit lohnt ein Blick in die Realität und die in der Kinder- und Jugendhilfe, der Altenhilfe, der Hilfe für psychisch Kranke, der Obdachlosenhilfe, der Flüchtlingshilfe, der im Gemeinwesen und der unterschiedlichsten Beratungsstellen etc. geleisteten Arbeit. Was wäre ohne diese ganzen Unterstützungssysteme? Was würde es für die Menschen bedeuten? Und würde aus deren Fehlen und der daraus folgenden Erosion des »sozialen Friedens« die sozialistische Revolution erwachsen?
Natürlich nicht! Und daher wäre doch die eigentliche Frage, wie können Sozialarbeitende über das konkrete individuelle Helfen hinaus in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern zur Bewusstseinsbildung der Adressat*innen beitragen? Wie können sich auch Sozialarbeitende selber organisieren, um beispielsweise gegen die teils massiv prekären eigenen Arbeitsverhältnisse vorzugehen?
Soziale Arbeit ist widersprüchlich – so wie nebenbei gesagt alles im Kapitalismus. Der Verriss von Horst hilft allerdings wenig in der notwendigen Debatte. Aus der individualisierten Problemsicht rauszukommen und die gesellschaftliche Grundlage Kapitalismus als Rahmen zu begreifen – wenn das gelingt, dann kann aus der besitzlosen Klasse an sich eine Klasse für sich werden. Und dann kann soziale Arbeit einen Beitrag leisten, der über die eigentliche Funktion hinausgeht! Packen wir es an!
»Hilfe zur Selbsthilfe« bedeutet ja eben gerade nicht, die Probleme für die Adressat*innen zu lösen, sondern mit ihnen an Problemlösungen zu arbeiten, die nachhaltig sein sollen. Um bei Horsts Beispiel des Bewerbungsschreibens zu bleiben: Natürlich könnte der Sozialarbeiter dem Jugendlichen seine Bewerbung schreiben und abschicken. Dies würde den Jugendlichen aber tatsächlich in totaler Abhängigkeit belassen – was macht er bei der nächsten zu schreibenden Bewerbung? Statt dessen unterstützt er den Jugendlichen dabei, in diesem Bereich fit zu werden – weil es sonst offenbar niemand anderes macht.
Anderes Beispiel: Eine Sozialarbeiterin könnte einer Klientin sämtliche Anträge der für sie zustehenden Sozialleistungen ausfüllen, damit diese unkompliziert an das notwendige Geld kommt. Aber was ist danach? Totale Abhängigkeit ohne Ende, weil sie selber in der Lage bleibt, nicht für sich das ihr zustehende einzufordern.
Aber ist das richtig? Ist es richtig, Jugendliche für den kommenden Verwertungsprozess fit zu machen? Oder Menschen zu helfen, in einem entwürdigenden Sozialsystem klarzukommen? Gibt es ein richtiges Leben im falschen? Natürlich nicht. Und damit bleibt nach Horsts Logik nur noch die Frage: also gar nicht mehr helfen?
Anstatt des von Horst verächtlich und verzerrt gezeichneten Bildes sozialer Arbeit lohnt ein Blick in die Realität und die in der Kinder- und Jugendhilfe, der Altenhilfe, der Hilfe für psychisch Kranke, der Obdachlosenhilfe, der Flüchtlingshilfe, der im Gemeinwesen und der unterschiedlichsten Beratungsstellen etc. geleisteten Arbeit. Was wäre ohne diese ganzen Unterstützungssysteme? Was würde es für die Menschen bedeuten? Und würde aus deren Fehlen und der daraus folgenden Erosion des »sozialen Friedens« die sozialistische Revolution erwachsen?
Natürlich nicht! Und daher wäre doch die eigentliche Frage, wie können Sozialarbeitende über das konkrete individuelle Helfen hinaus in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern zur Bewusstseinsbildung der Adressat*innen beitragen? Wie können sich auch Sozialarbeitende selber organisieren, um beispielsweise gegen die teils massiv prekären eigenen Arbeitsverhältnisse vorzugehen?
Soziale Arbeit ist widersprüchlich – so wie nebenbei gesagt alles im Kapitalismus. Der Verriss von Horst hilft allerdings wenig in der notwendigen Debatte. Aus der individualisierten Problemsicht rauszukommen und die gesellschaftliche Grundlage Kapitalismus als Rahmen zu begreifen – wenn das gelingt, dann kann aus der besitzlosen Klasse an sich eine Klasse für sich werden. Und dann kann soziale Arbeit einen Beitrag leisten, der über die eigentliche Funktion hinausgeht! Packen wir es an!