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Leserbrief zum Artikel Hausbesetzung in Berlin: »Das will keiner der Obdachlosen« vom 02.01.2021:

Vorbild DDR

Immer wieder wird in jW auf die riesigen Probleme verwiesen, die Hunderttausende Menschen allein in der BRD im Zusammenhang mit Wohnungslosigkeit, Unsicherheiten wegen Mieterhöhungen, Arbeitslosigkeit usw. sowie insbesondere bei Obdachlosigkeit haben, wofür es in diesem System keinen Ausweg gibt.
In diesem Zusammenhang ist es von fundamentaler Bedeutung, immer wieder klarzustellen, dass in der DDR – obwohl mühsam aufgebaut auf den vom Kapital hinterlassenen Trümmern und über 40 Jahre von den Westmächten bekämpft – noch im Frühstadium des Sozialismus das Menschenrecht auf Wohnraum, die absolute Sicherheit einer geringen Miethöhe von circa sechs Prozent des Verdienstes über Jahrzehnte und der absolute Rechtsschutz gegen Kündigungen nicht nur in der mit Volksabstimmung beschlossenen Verfassung (Art. 37) festgeschrieben, sondern auch in der Praxis voll umgesetzt war. Obdachlosigkeit war völlig unbekannt. Es war unmöglich, bei Mietrückständen die Menschen auf die Straße zu werfen .
Um zur Frage der Menschenrechte in der DDR fortzufahren, ist weiter das Menschenrecht auf Arbeit und einen Arbeitsplatz nach freier Wahl hervorzuheben, was sowohl in der Verfassung (Art. 24) als auch in der Praxis fest verankert gewesen ist. Weiterhin hatte jeder Bürger das Menschenrecht auf praktisch kostenlose umfassende Bildung, Weiterbildung, das Recht und die Pflicht zu einer Berufsausbildung (Art. 25) sowie ausdrücklich in Artikel 26, vom Staat gesichert, die Möglichkeit, auch die höchste Bildungsstufe zu erreichen. Stipendien als reine Staatsleistung waren bei Bedarf weitverbreitet. Hinzu kommt das umfassende Menschenrecht auf staatlichen Schutz der Gesundheit aller Bürger, und zwar unter geringer Versicherungsbeteiligung durchweg aller Bürger, praktisch unentgeltlich bei materieller Sicherheit bei Krankheit und Unfällen. Dazu wurde flächendeckend ein Netz von Polikliniken und Landambulatorien errichtet, und die gesamte Ausbildung von Pflegefachkräften, Physiotherapeuten usw. bis zu den Ärzten, also das gesamte Personal, insgesamt etwa 440.000 Fachkräfte, wurde vom Staat organisiert und bezahlt.
Das Ganze war eingebettet in den grundlegenden Menschenrechte wie das Menschenrecht auf Frieden und Völkerfreundschaft (Art. 8, 17, 18 usw.), das fundamentale Menschenrecht auf Beseitung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen (Art. 19), auf Freizeit und Erholung (Art. 34), das Recht auf Kultur, Sport, die besondere Förderung der Gleichberechtigung der Frau – besonders ausdrücklich von deren wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
Die Nutzung dieser Menschenrechte wurde den Bürgern durch eine Reihe fundamentaler Maßnahmen gesichert, so durch die sozialistische Umgestaltung der Landwirtchaft, die schrittweise Angleichung der Lebensverhältnisse Stadt/Land, die Schaffung eines flächendendeckenden Personentransportsystems bis zum kleinsten Dorf zu Pfennigpreisen, das umfassende Mitspracherecht in Gemeinden und Betrieben und ein modernes, auf die Leistungsfähigkeit der von den Wählern bestätigten Kandidaten gerichtetes Wahlrecht. Die Sicherung der Würde des Menschen stand eben durch die Gewährleistung dieser umfassenden Menschenrechte unter dem direkten Schutz des sozialistischen Staates, der nicht vorrangig mit Juristen, sondern mit Fachkräften aus der Arbeiter- und Bauernklasse sowie der Intelligenz ausgestattet war, die aber aufgrund eines umfassenden Eingabenrechts direkt persönlich für ihre Tätigkeit Rechenschaft ablegen mussten.
Die DDR war also kein auf mittelalterliche Traditionen mit dem Beamtentum beruhender juristischer Rechtsstaat, schon gar nicht ein Unrechtsstaat, wie es von den unmenschlichen Ausgeburten kapitalistischer Staaten bekannt ist, vielmehr war die DDR, weltweit und historisch betrachtet, der Prototyp eines Menschenrechtsstaates, der, würde seinem Beispiel weltweit gefolgt, Milliarden Menschen aus ihrer katastrophalen Lage befreien würde.
Notwendig wäre heute das Studium der Verfassung der DDR in den Schulen und Universitäten und für jeden Bürger, damit bewusst wird, wie die vorhandenen uralten Probleme der Menschheit wirklich überwunden werden können .
Es gibt weltweit keine andere Lösung. Kein einziger der Tausenden Nobelpreisträger und der Millionen Ökonomen hat eine Lösung.
Gerhard Ulbrich
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.01.2021.