Leserbrief zum Artikel China: Hongkonger Separatisten zu Haftstrafen verurteilt
vom 03.12.2020:
Heuchelei
Der 24 Jahre junge Joshua Wong ist zu 13,5 Monaten Haft verurteilt worden. »Das möchte sich der Mob hinter die Ohren schreiben, dass Randale und Gewalt bei uns kein Spaß sind!« Zitat eines Spitzenpolitikers nach dem Urteil, allerdings nicht gegen Wong und für 13,5 Monate, sondern geäußert von Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl, nachdem ein deutsches Gericht sein Urteil gegen die ersten beiden Jugendlichen (18 und 19 Jahre als) gesprochen hat, die bei der Coronapartynacht in Stuttgart randaliert hatten. Grund des Verfahrens gegen Wong war, so die FAZ: »Tausende Demonstranten (hatten) eine Polizeistation umstellt und die Polizisten über Stunden daran gehindert, das Gebäude zu verlassen.« Aktuell, die FAZ geht am 3.12. auf Seite 10 – »Schuldig durch Mitmarschieren« – darauf ein, stehen fünf Angeklagte als Teilnehmer an den G-20-Krawallen in Hamburg, damals waren die drei Frauen und zwei Männer zwischen 16 und 17 Jahre alt, vor Gericht und müssen sich wegen »Landfriedensbruch« verantworten, in einem ersten derartigen Verfahren wurde bereits eine dreijährige Haftstrafe ausgesprochen. Die FAZ verweist auf den Gedanken, dass »Mitmachen« ausreiche, und kann sich auf ein Urteil des BGH stützen, dass »ostentatives Mitmarschieren« reicht, sich des Landfriedensbruchs schuldig zu machen. In Stuttgart ging es um sehr wenig, in Hamburg um einiges und in Hongkong um sehr viel. Dort wurde mit Zwillen auf Polizisten geschossen, Pfeil und Bogen eingesetzt, Laserpointer sollten blenden und Vermummung schützen. Eine Universität wurde zum Schlachtfeld, der Flughafen wurde für Tage lahmgelegt, im öffentlichen Nahverkehrsnetz wurden Stationen zertrümmert, Kaufhäuser missbraucht, Andersdenkende physisch angegriffen, Geschäfte beschädigt und das Parlament besetzt. Nicht zuletzt wurde übler Rassismus gegen Besucher aus China geschürt. In Stuttgart, später auch andernorts in Deutschland, wollten die jungen Leute ihre Freiheit zurückhaben, die als Folge der Pandemiebekämpfung eingeschränkt worden war, in Hongkong verteidigten Wong und Co. ihre Freiheit, die aber bis dahin gar nicht in Frage gestellt wurde. Warum rufen unsere Politiker nach scharfen Strafen, wenn in Stuttgart, Hamburg oder Frankfurt passiert, was passiert ist, jubeln aber ob der viel schlimmeren Taten im fernen Hongkong? Ja, hier steht die Verteidigung der Polizei an erster Stelle, in Hongkong wird die dortige Polizei von den gleichen Leuten inkriminiert. Angeblich richten sich Wong und Co. gegen die Hongkonger Polizei, die zu brutal vorgingen. Fragen Sie mal die beiden Jugendlichen aus Stuttgart, was die über den Polizeieinsatz denken, gar nicht zu reden von den Demonstranten gegen den G-20-Gipfel in Hamburg. »In dubio pro liberale« könnte man urteilen und deshalb verstehen. Aber Wong u. a. geht es gar nicht um Freiheit, sie wollen Unabhängigkeit. Sie kämpfen somit gegen die Verfassung von Hongkong. Deshalb, und es wäre in Deutschland ebenso, verlieren Abgeordnete ihre Mandate, denn Verfassungsfeinde bekämpft jeder Staat. Natürlich werden auch Medien verboten und verlieren Lehrer oder Richter (Berufsverbote!) ihre Jobs. In Deutschland könnte die Verfassung geändert werden, wurde auch mehrmals, aber es müsste mindestens eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zustimmen. In Hongkong, so der Vertrag zwischen Großbritannien und China, der Verfassungsrecht wurde, könnten selbst 100 Prozent dies nicht ändern. Hongkong ist Teil Chinas, und auch wenn 100 Prozent in München für die Unabhängigkeit der Stadt von Deutschland votierten, reicht dies maximal für viele Jahre Haft gegen die Anführer, niemals aber dafür, dieses Ziel zu erreichen. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum heißt also: Heuchelei.