Leserbrief zum Artikel Klassiker: Freiheit beruht auf Sachkenntnis
vom 28.11.2020:
Hase im Pfeffer
Es gibt ganz sicher konkretere Gründe als Friedrich Engels’ euphorische Einschätzung der menschlichen Herrschaft über die Natur, sein endgültiges Ausscheiden aus dem Tierreich usw. kritisch zu betrachten, schon weil der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, dass eine zu kurz gewordenen Distanz zwischen menschlicher Zivilisation und Tierreich auch äußerst unliebsame, z. B. hygienische Folgen zeitigen kann.
Das darf aber den Blick darauf nicht verstellen, wo im »Anti-Dühring« schon philosophiegeschichtlich der Hase im Pfeffer liegt. Unglücklicherweise beginnt der von jW gewählte Ausschnitt aus dieser Schrift Engels’ mit einer ausdrücklichen Hervorhebung von Hegels Zusatz zum Paragraphen 147 seiner »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften« von 1830, nach dem »Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit« bedeutet. Engels nutzt das Hegel-Zitat, um seine Überzeugung zu festigen, nach der die menschliche Freiheit dadurch errungen wurde, dass Menschen Naturkräfte zu beherrschen gelernt hätten. Indem er dazu Hegel bemüht, der »der erste gewesen (sei), der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte«, lässt Engels sich dazu verführen, auch dessen Schlussfolgerung zu übernehmen, nach der »die Notwendigkeit nur blind ist, insofern dieselbe nicht begriffen wird«. Das entspricht der Arroganz von Kants Bestimmung einer »selbst verschuldeten Unmündigkeit«. Es übertrifft diese aber insofern, als Hegel versucht, dem antiken Gedanken des »trostlosen Schicksals« den »modernen Standpunkt« des (christlich gewährten) Trostes entgegenzusetzen, wozu er auf höhere, göttliche Instanzen zurückgreifen muss. Nur durch sie kann er die außerhalb einer formal-logischen Disziplin schwer definierbaren Differenzen zwischen Zufall und Notwendigkeit einigermaßen im Griff behalten. Aber auch das gelingt ihm nur mit der argumentativen Brechstange: »Man hat übrigens die Auffassung der Welt als durch Notwendigkeit bestimmt und den Glauben als eine göttliche Vorsehung keineswegs als einander gegenseitig ausschließend zu betrachten.« Deren Gegensätze finden sich nach Hegel im abstrakten Begriff wieder, in dem die Wahrheit »aufgehoben in sich« selbst ist – ein dialektisch-dialektales Wortspiel, das allen verschlossen bleiben muss, die nördlich von Stuttgart geboren sind und außerhalb von Tübingen studiert haben, also das Schwäbische nicht beherrschen (»aufheben« ist schwäbisch mehrdeutig: Es bedeutet neben »auf- oder zurücknehmen« auch »bewahren«; Hegel hat zeitlebens das Schwäbische nicht abgelegt). Für sie sattelt Hegel an der von Engels zitierten Stelle drauf: »Das unbefangene religiöse Bewusstsein spricht von Gottes ewigen und unverbrüchlichen Ratschlüssen.«
Ohne kritische Auseinandersetzung mit solcher literarischen Umgebung wirft Engels mittels einer philosophischen Denkfigur aus Hegels »Enzyklopädie« alle von Freiheit ausgeschlossenen Individuen auf die kulturellen, politischen und ökonomischen Gegebenheiten zurück. Sie sind ihnen als konkreten Machtverhältnissen ausgesetzt, ohne sie durchschauen zu können, und Engels nimmt sie – in Übereinstimmung mit Hegel – dafür in die Pflicht. Das setzt ihn dem Verdacht aus, der Metaphysik Hegels ernsthafter verpflichtet zu sein als nur durch einen allgemeinen teleologischen Optimismus. An ihm festzuhalten wäre allerdings selbst in Engels’ Begrenzung auf technisch-zivilisatorische Prozesse ein noch gröberer Fauxpas als die Übernahme metaphysisch überladener Denkfiguren Hegels.
Das darf aber den Blick darauf nicht verstellen, wo im »Anti-Dühring« schon philosophiegeschichtlich der Hase im Pfeffer liegt. Unglücklicherweise beginnt der von jW gewählte Ausschnitt aus dieser Schrift Engels’ mit einer ausdrücklichen Hervorhebung von Hegels Zusatz zum Paragraphen 147 seiner »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften« von 1830, nach dem »Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit« bedeutet. Engels nutzt das Hegel-Zitat, um seine Überzeugung zu festigen, nach der die menschliche Freiheit dadurch errungen wurde, dass Menschen Naturkräfte zu beherrschen gelernt hätten. Indem er dazu Hegel bemüht, der »der erste gewesen (sei), der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte«, lässt Engels sich dazu verführen, auch dessen Schlussfolgerung zu übernehmen, nach der »die Notwendigkeit nur blind ist, insofern dieselbe nicht begriffen wird«. Das entspricht der Arroganz von Kants Bestimmung einer »selbst verschuldeten Unmündigkeit«. Es übertrifft diese aber insofern, als Hegel versucht, dem antiken Gedanken des »trostlosen Schicksals« den »modernen Standpunkt« des (christlich gewährten) Trostes entgegenzusetzen, wozu er auf höhere, göttliche Instanzen zurückgreifen muss. Nur durch sie kann er die außerhalb einer formal-logischen Disziplin schwer definierbaren Differenzen zwischen Zufall und Notwendigkeit einigermaßen im Griff behalten. Aber auch das gelingt ihm nur mit der argumentativen Brechstange: »Man hat übrigens die Auffassung der Welt als durch Notwendigkeit bestimmt und den Glauben als eine göttliche Vorsehung keineswegs als einander gegenseitig ausschließend zu betrachten.« Deren Gegensätze finden sich nach Hegel im abstrakten Begriff wieder, in dem die Wahrheit »aufgehoben in sich« selbst ist – ein dialektisch-dialektales Wortspiel, das allen verschlossen bleiben muss, die nördlich von Stuttgart geboren sind und außerhalb von Tübingen studiert haben, also das Schwäbische nicht beherrschen (»aufheben« ist schwäbisch mehrdeutig: Es bedeutet neben »auf- oder zurücknehmen« auch »bewahren«; Hegel hat zeitlebens das Schwäbische nicht abgelegt). Für sie sattelt Hegel an der von Engels zitierten Stelle drauf: »Das unbefangene religiöse Bewusstsein spricht von Gottes ewigen und unverbrüchlichen Ratschlüssen.«
Ohne kritische Auseinandersetzung mit solcher literarischen Umgebung wirft Engels mittels einer philosophischen Denkfigur aus Hegels »Enzyklopädie« alle von Freiheit ausgeschlossenen Individuen auf die kulturellen, politischen und ökonomischen Gegebenheiten zurück. Sie sind ihnen als konkreten Machtverhältnissen ausgesetzt, ohne sie durchschauen zu können, und Engels nimmt sie – in Übereinstimmung mit Hegel – dafür in die Pflicht. Das setzt ihn dem Verdacht aus, der Metaphysik Hegels ernsthafter verpflichtet zu sein als nur durch einen allgemeinen teleologischen Optimismus. An ihm festzuhalten wäre allerdings selbst in Engels’ Begrenzung auf technisch-zivilisatorische Prozesse ein noch gröberer Fauxpas als die Übernahme metaphysisch überladener Denkfiguren Hegels.