Leserbrief zum Artikel Ludwig van Beethoven: Das Revolutionäre bestimmen
vom 09.11.2020:
Untrennbar
Peter Gülke spricht von einer Art »stillen Revolution« bei Franz Schubert. Ich meine, Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen ist ein substantielles Kriterium für Veränderungen. In der 1822 niedergeschriebenen Traumerzählung des Komponisten steht: »Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe. So zerteilte sich die Liebe und der Schmerz.« Wie könnte man die Charakteristik der Metternichschen Verhältnisse besser zeichnen als mit diesen allegorischen Worten? Und so trifft es genau auf die Bemerkung von Gülke, wonach Schubert, der ja nur 31 Jahre lebte und der die Ereignisse der französischen Revolution gar nicht wie der 27 Jahre ältere Beethoven vor Augen hatte, nicht wie Beethoven als Person offen rebellierte. Ich, der ich meine Erziehung und Jugend in der DDR verbrachte, war – obgleich ein musikalischer Laie – begeistert von beiden Komponisten. Alfred Amendas Roman »Appassionata« über Ludwig van Beethoven möchte ich hier nicht unerwähnt lassen in bezug auf meine lebenslange Liebe zur klassischen Musik. Die sich auch in meinem in diesem Jahr mir zum 70. Geburtstag selbst besorgten Gedichtbändchen insbesondere zu Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag am 16. Dezember spiegelt (der Titel sei hier verschwiegen, weil die junge Welt ihn sonst wieder als versteckte Werbung löscht). Eingangs steht darin: »Wohltun, wo man kann – Freiheit über alles lieben – Wahrheit nie, auch sogar am Throne nicht, verleugnen.« (Ludwig van Beethoven, Stammbuchblatt vom 22.5.1793 für A. Vocke) Schubert und Beethoven kann man im übrigen gar nicht voneinander trennen, sie gehören beide zur Musikgeschichte im Besonderen und im Allgemeinen zur Geschichte überhaupt.