junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Freitag, 10. Mai 2024, Nr. 108
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Wirecard: Rasanter Aufstieg, tiefer Fall vom 31.07.2020:

Spitze des Eisbergs

Wie bekannt, ermittelt die Staatsanwaltschaft im Falle Wirecard wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Untreue und Marktmanipulation. Es geht um mutmaßlich ergaunerte Summen von weit über drei Milliarden Euro. Der Wirecard-Chef Braun und zwei weitere Vorstände sitzen in Haft, ein weiterer ist flüchtig und soll sich nach Russland abgesetzt haben. Der Betrug soll schon 15 Jahre andauern, ohne dass sich irgendeine Aufsichtsbehörde darum gekümmert hat. Im Gegenteil haben die verantwortlichen Ministerien weggeschaut, und die Kanzlerin hat bei Auslandsreisen für das betrügerische Unternehmen geworben. Ein klassischer Fall von einem nackten Kaiser, der auch noch über und über von Unrat bedeckt ist und den doch alle angehimmelt haben. In unserem kapitalistischen System sicher kein Sonderfall, aber vielleicht wegen seiner Dimension doch bemerkenswert. Es gibt Wirtschaftswissenschaftler, die große Vermögen oft in enger Nähe zu Wirtschaftskriminalität verorten. Und die Beispiele dafür sind zahlreich. Untreue, Betrug, Unterschlagung, Wirtschaftsspionage, Urkundenfälschung, Bestechung, Steuerdelikte, Geldwäsche oder wie im Falle von Wirecard Buchführungs- und Bilanzmanipulation. Man braucht nicht bei der italienischen, russischen oder chinesischen Mafia vorstellig zu werden, deren Vermögen auf Drogenhandel, Prostitution, der Verschiebung von Sondermüll oder Hackerangriffen basieren. Autobauer haben die Abgaswerte manipuliert, Banken haben über Jahre betrogen. Doch sie sind nur die kleine Spitze eines Eisbergs namens Wirtschaftskriminalität. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter rund 700 deutschen Unternehmen kommt zum Ergebnis, dass die Wirtschaftskriminalität in deutschen Unternehmen deutlich ansteigt. So ist danach die Zahl der Fälle um 13 Prozent gestiegen. Und bei großen Unternehmen sieht es sogar noch schlimmer aus: Dort waren sogar 73 Prozent betroffen.
Conrad Fink, Freiberg a. N.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 04.08.2020.