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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Verkehrspolitik: Neue Liaison vom 28.07.2020:

Wichtige Säule Verkehrswende

In Bochum wurde der Demozug am 24. Juli 2020 von einem sinnfällig geschmückten Stadtbus angeführt: »Was ich gerne hätte: autofreie Städte« stand auf einem bebilderten Transpi rechts am Bus, »Klimagerechter ÖPNV geht nur fair« und »Wir fahren zusammen« stand links. Es chauffierte eine bei Verdi organisierte Kollegin. – Ein noch passenderes Fahrzeug sah ich auf zahlreichen Fridays-for-Future-Demos 2019/2020 lediglich auf der Regionaldemo in Mainz am 17. Januar: Dort wurde der Lautsprecherwagen an einem Tau von 14 Aktiven zu Fuß gezogen, was im Schrittempo mit so einem Bus vielleicht auch ginge: Die Teilnehmerzahl in Bochum hätte solche Zugkräfte leicht hergegeben, zumal der Nachmittagstermin beschäftigtenfreundlich wra, solange die hiesige Rechtsprechung politische Streiks noch nicht gestattet. Ich hatte allerdings, wie Kollege Bsirske schon 2019 empfahl, für den ganzen Freitag »ausgestempelt«, da ich schon den Morgentermin in Bonn in derselben Angelegenheit wahrnehmen wollte. »Wir sind hier und empört, weil man unsere Kids nicht hört«, skandieren wir in Köln laut als Parents for Future regelmäßig in Variation des bekannten »Wir sind hier, wir sind laut ...« Tatsächlich ist die Verkehrswende eine überaus wichtige Säule der Energiewende, und selbstverständlich hätte sie von Anfang an einbezogen werden müssen. Lobbyismus? Auto-Autistinnen und -Autisten wie AKK, Hildegard Müller, Armin Laschet (alle CDU)? Von Minister Scheuer (CSU) reden wir lieber gar nicht erst. Die Verdi-Forderung nach zusätzlichen Fahrzeugen im ÖPNV ist mehr als begründet. Fortschrittchen gibt es: Bei der Bogestra fuhr ich schon 2012 mit einem Hybridbus von Bochum nach Hattingen/Ruhr, in dem ein Display in Echtzeit zeigte, ober er gerade bremsend Strom gewann, beschleunigend welchen verbrauchte oder eben auch konservativ noch etwas Fossilöl verbrannte. In Solingen gibt es seit 2019 den BOB, einen O-Bus mit Batterie für Strecken ohne Fahrdraht. In Frankfurt am Main werden französische E-Busse erprobt, in Schleswig-Holstein Verbrennerbusse auf E-Antrieb umgerüstet, im Raum Karlsruhe neue E-Busse beschafft, auch für nicht elektrifizierte Bahnlinien werden Triebzüge mit Stromspeicher entwickelt, jedoch im Gegensatz zum Akkutriebwagen »ETA 518« auch mit Stromabnehmer für elektrifizierte Streckenabschnitte oder Bahnhöfe. Die aktuelle Elektrifizierung Lindau (Bodensee)–München wird übrigens teils durch die Schweizerischen Bundesbahnen finanziert. – Von alledem brauchen wir sehr schnell sehr viel mehr, dafür nimmt sich der Zwei-Milliarden-Vorschlag eher bescheiden aus.
Zutreffend ist Bernd Müllers Formulierung vom »sogenannten europäischen Wettbewerb«: Ein intramodaler »Wettbewerb« im Linienverkehr ist weder sinnvoll noch überhaupt auch nur möglich. Dass seit 1994/1996 ein Pseudowettbewerb um Landesmittel erfolgt, ist nur dem hyperideologischen Wettbewerbsfanatismus der FDP geschuldet, die leider 1993 ihre Mitregierungsversuche machen durfte. Zivilisierte Staaten wie Österreich oder die Bonner Republik verfügten über Bahn- und Postbusse im Regionalverkehr, dazu kamen kommunale ÖPNV-Netze. In der Schweiz betreibt die PTT bis heute ausgedehnte und erfahrenswerte Postautonetze, natürlich in bester Kooperation mit den übrigen Verkehrsträgern von der Bahn über das Schiff bis zur Bergbahn. Westdeutschland vereinigte zunächst sogar Bahn- und Postbusse in einer Omnibusverkehrsgemeinschaft – allerdings in der Ära Brandt. Unter Schmidt folgte die Überführung der Postbusse zur Bundesbahn, unter »Schwarz-Gelb« die Zerschlagung in Dutzende Regionalmafias mit dreibuchstabigen Phantasiekürzeln. – In Österreich trugen rote Bahn- und gelbe Postbusse lange Zeit die hübsche Aufschrift »Bundesbus«: So klar und geordnet kann das Leben auch sein! Allerdings wurden auch dort die sehr brauchbaren Omnibuskursbücher West und Ost durch eine unhandliche Lose-Blatt-Sammlung im Mammutformat »ersetzt«: Auch Österreich ist leider nicht frei vom Neoliberalismus.
Bernhard May, Solingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.08.2020.
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