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Leserbrief zum Artikel EU: Gespräche zwischen Serbien und Kosovo vom 13.07.2020:

Gute Miene, böses Spiel

Die Gespräche zwischen Serbien und Kosovo unter Vermittlung der EU sind nichts weiter als »gute Miene zum bösen Spiel«. Selbst hinter der Vereinbarung dieser Unterredungen steht nur ein Machtspiel der EU in ihrem rivalisierenden Verhältnis zu den USA. Gespräche zwischen Präsident Aleksandar Vucic aus Serbien und Hashim Thaci, dem »Staatschef« des Kosovo, waren von Richard Grenell als dem Bevollmächtigten von US-Präsident Donald Trump für Kosovo-Verhandlungen für den 27. Juni in Washington fest vereinbart und zunächst als Sondierung zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Parteien angekündigt worden. Thaci saß gewissermaßen bereits im Flugzeug nach Washington, als der Chefankläger des Haager Sondergerichts für Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges 1998/1999, der US-amerikanische Staatsanwalt Jack Smith, bekanntgab, dass Anklage gegen ihn, Kadri Veseli und eine Reihe weiterer Verantwortlicher der Kosovo-Befreiungsfront UCK für diverse Kriegsverbrechen erhoben werde. Die gemäß den Statuten des Tribunals notwendige Bestätigung dieser Anklage aus Den Haag ist jedoch von seiten der Kosovo-Regierung bislang nicht erfolgt. Nun stellte sich die Frage: Wem war die Torpedierung der Gespräche in Washington unter Regie von Trump so wichtig? Dafür kommt wahrscheinlich nur der sogenannte tiefe Staat in den USA in Zusammenarbeit mit der EU in Frage. In dieser peinlichen Situation hat die US-Seite vorgeschlagen, dass ein Vertreter von Thaci namens Avdullah Hoti zu den Verhandlungen nach Washington kommen solle. Das hatte Hoti zunächst angenommen, jedoch plötzlich, nach einem Gespräch mit Brüssel, soll er sich als nicht genug kompetent erklärt haben. Die Gespräche wurden abgesagt. Aber kaum waren seitdem zwei Wochen vergangen, wurden die sogenannten Gespräche zwischen Vucic und Hoti im Rahmen der EU zunächst per Videokonferenz geführt. Der bis dann nicht kompetente Vertreter Kosovos Hoti war plötzlich kompetent geworden und schlug den Ton an, den Kosovo-Befürworter in der EU, vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, unterstützen: Er verhandelt mit Serbien nur, wenn die Anerkennung des Kosovo durch Belgrad gemäß den Bedingungen aus Pristina im Raum steht. Vucic soll dieses Vorgehen der Albaner als »unrealistisches Wunschdenken« bezeichnet haben. Wenn man dabei noch berücksichtigt, dass die Kosovo-Albaner ihre Verpflichtungen aus den Verhandlungen mit Serbien, die von 2012 bis 2018 unter Führung der EU stattgefunden hatten, bisher weder erfüllt haben noch daran denken, diese zu erfüllen, dagegen Serbien seinen Verpflichtungen bislang voll nachgekommen ist und die EU als Garant für die Einhaltung der Vereinbarungen diese Diskrepanz überhaupt nicht anspricht, dann versteht man, dass die gegenwärtigen Gespräche gar keinen Sinn und Zweck haben. Der Außenminister Serbiens, Ivica Dacic, hat gerade zu den von der EU moderierten Verhandlungen gesagt: Sie werden erst dann zu einer Lösung führen, wenn die westlichen Unterstützer des Kosovo Druck auf die Albaner ausüben.
Olivera Götz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.07.2020.