junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Mittwoch, 8. Mai 2024, Nr. 107
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Geschichtspolitik: Tötet Bismarck! vom 24.06.2020:

Vulgäre Tirade

»Wir hätten da eine Idee«, schlägt Peter Köhler im Plural vor, um mit einer vulgären Tirade gegen die wahrlich nicht unumstrittene Figur Bismarck loszupöbeln. Seine Wortwahl erlaubt hier kein anderes Verb. Beinahe alle Übel der Gegenwart sind – so Köhler - auf Bismarck zurückzuführen. Der feinfühlige französische Kaiser Napoleon III. – von Zeitgenossen als aufgeblasener Möchtegernaristokrat mit blutigen Kriegen (Krimkrieg, Mexiko) wahrgenommen – und die ebenso feinfühlige französische Nation, deren erster Kaiser nur zwei Generationen früher ganz Europa kriegerisch »umgepflügt« hat, konnten die »Demütigung« durch Bismarcks Redaktion der Emser Forderungen an Preußen nur durch eine Kriegserklärung an Preußen »tilgen«. Klar, dass Bismarck daran schuld ist. Die fünf Milliarden Reparationen des Verlierers Frankreich waren so maßlos hoch, dass sie vorzeitig getilgt werden konnten. Das »rächte sich in Versailles«, denn die Tilgung der dort Deutschland auferlegten Reparationen sollte sich bis Ende des 20. Jahrhunderts erstrecken. Schließlich hat der »abgefeimte Herrenmensch« und Neukolonialherr die Schwarzen dem »Zwangsregime und der Terrorherrschaft« ausgeliefert. Da mussten die etablierten Kolonialstaaten mit ihrer jahrhundertelangen Erfahrung als Wohltäter sich mächtig umstellen. Der »den Reichstag hassende Schuft« hat – dumm war er offenbar auch – den Reichstag so eingerichtet, dass der das Budgetrecht erhielt und aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorging. Eine Rarität damals. Dass ihm wie allen Regierenden die kritische Presse – die gab es zur Zeit Bismarcks noch – »zuwider war«, erstaunt nicht und ist als Phänomen der jungen Welt wohl nicht unbekannt. Aus welchen Motiven heraus Bismarck die Sozialgesetzgebung einführte, sei dahingestellt. Dass sie für ihre Zeit zu einem großen Fortschritt und Vorbild für andere Länder wurde, kann man dem »Betrüger« nicht absprechen. Schließlich zur »Blaupause … für den späteren Nachfolger A. Hitler«: der Unterdrückung der Sozialdemokraten. Sie führte dazu, dass die SPD stärkste Partei im Reichstag wurde. Da hat Hitler Bismarcks Blaupause wohl missverstanden. Der Respekt und die Anerkennung, die Bismarck auch heute noch entgegengebracht werden, sind wohl am ehesten auf seine Rolle bei der Einigung Kleindeutschlands zurückzuführen, die späte Verwirklichung eines wenn auch mit Mängeln behafteten Nationalstaats anstelle der biedermeierlichen Kleinstaaterei. (...)
Herbert Wolf, Speyer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.06.2020.
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • »Kriegsidioten«

    Ich las gerade den Leserbrief, in dem Herbert Wolf dem Autor Peter Köhler eine »vulgäre Tirade« über Bismarck vorwirft. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Nun hat Herr Köhler gewiss etwas heftig seinem b...
    Stephan Reinhardt
  • Ein Stück unserer Arbeit

    Hatte nicht schon Friedrichs Engels 1870 in einem Brief an Karl Marx in bezug auf Wilhelm Liebknecht festgestellt, dass es absurd sei, den »Antibismarckismus zum alleinleitenden Prinzip« zu erheben, u...
    Stephan Jegielka
  • Kein Welteroberer

    Lieber Genosse Köhler, soll das Satire sein? Satire ist, wenn ich lache! Sehen Sie mich lachen? Natürlich nicht, nach der Lektüre Ihres Bismarck-Elaborates drehte ich mich um und weinte bitterlich. Ab...
    Jürgen Marschall, Hauptmann a. D., Weimar
  • Furchtbar

    Welch ein grässliches Pamphlet. Geht das nicht auch ein bisschen mehr an den Fakten orientiert?...
    Herbert Steffes