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Leserbrief zum Artikel Proteste gegen Einschränkungen: Nicht unwidersprochen vom 18.05.2020:

Fragiles Leben

Es ist ebenso erschreckend wie besorgniserregend, wie wenig Verständigung, Aufklärung und reflektierendes Vertrauen über Millionen Jahre Menschheitsgeschichte und insbesondere über 70 Jahre Demokratie und sozialer Rechtsstaat inklusive 68er-Bewegung bewirken konnten. Diese Krise offenbart leider einmal mehr die geradezu apodiktische Erkenntnis, dass Intelligenz, akademische Schulung und Klugheit nicht annähernd dasselbe sind. Und dass der Firnis der sogenannten Zivilisation allenthalben dünn geblieben ist.
Es wird mir wohl ein Rätsel bleiben, warum relativ viele Menschen bewusst und/oder unbewusst bereit sind, in einem nicht unerheblichen, oftmals radikalen und nachhaltigen Maße den eigenen Intellekt, also das Angebot zu einer vernunftbasierten Dialektik, abzulehnen. Die sozialpsychologischen Auswirkungen dieses durchaus begründbaren systemischen Verhaltens müssen zwangsläufig, zumal fortlaufend angewendet, dazu führen, dass sich Menschen rational und emotional in einen Teufelskreislauf der Angst, Verunsicherung und Selbstaufgabe der eigenen Persönlichkeit begeben bzw. sich darin belassen. Doch wenn wir uns selber und unsere Errungenschaften in Bildung, Information und Deutung nicht mehr ernst nehmen können bzw. wollen, legen wir Hand an das eigene Selbstwertgefühl, die eigene menschliche Sinnhaftigkeit. Das »demokratische Grundrecht« (und die Pflicht) mitzudenken wurde auch während dieser Krise nicht eingeschränkt. So findet auch der bekannte deutsche Autor und Jurist Dr. Heribert Prantl in seiner politischen Wochenvorschau, dass Verschwörungstheorien keine Theorien, sondern Idiotien sind. Und ebendiese machen (korrelatives) Verständnis, Verständigung und nicht zuletzt die gebotenen Differenzierungen außerordentlich beschwerlich.
Im übrigen sollten wir uns grundsätzlich die Frage stellen, mit wem oder was wir uns, zumal öffentlich, gemein machen, wenn wir, ob im Rahmen etwa von Demonstrationen oder Leserbriefen, gesellschaftspolitisch Stellung beziehen. Eine Grundverantwortung gegenüber uns selbst und der demokratischen Gesellschaft, die freilich Ehrlichkeit, Wahrheit und Wirklichkeit nicht entbehren sollte. Spätestens nach dieser Krise (und unbedingt vor der nächsten) jedenfalls wird eine Vermessung unserer »gesamtgesellschaftlichen Welt« unverzichtbar sein; die Vornahme also von validen Evaluationen in allen relevanten Fachbereichen von Medizin über Soziologie bis Juristik, inklusive der Interferenzen.
Klar muss – leider – sein und bleiben, dass das Leben zu jeder Zeit außerordentlich fragil ist, eine sichere Zukunft durch nichts und niemanden versprochen werden kann.
Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.05.2020.
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