Leserbrief zum Artikel Querfront gegen Beschränkungen: Distanzlos gegen Coronaregeln
vom 11.05.2020:
Das liebe Geld
Am letzten Wochenende versammelten sich auf dem Berliner Alexanderplatz etwa 1.200 Personen zu einer nicht angemeldeten Demonstration, und es ertönten wieder Rufe wie »Wir sind das Volk« oder »Freiheit, Freiheit«. Dabei trieben auch einige »aufgepumpte Schlägertypen« behelmte Polizisten vor sich her und hissten die Deutschlandflagge. Einen Tag zuvor, am 8. Mai 2020, richteten die Betreiber von zahlreichen Berliner Luxushotels einen offenen Brief an die Regierung des Landes Berlin und forderten »nicht rückzahlbare Zuschüsse« als Ausgleich für die erlittenen Einnahmeverluste, denn die Tourismusindustrie sei Berlins größter und wichtigster Wirtschaftszweig, also gleichbedeutend mit der Autoindustrie für die Bundesrepublik insgesamt. Deshalb halte ich es für möglich, dass sich unter den aufgebrachten Demonstranten nicht wenige Türsteher, Kellner, Barkeeper und Beschäftigte von »körpernahen Dienstleistungen« befanden, weil es eben trotz aller Freiheitsrufe zu guter Letzt immer nur um das liebe Geld geht. Das zeigt auch der Aufstand der Berliner Bezirksbürgermeister, die nun ebenfalls protestieren, nachdem ihnen der Finanzsenator Matthias Kollatz ein Sparprogramm für die Jahre 2020 und 2021 aufzudrücken versucht, verbunden mit der Aufforderung, »solidarisch« zu handeln.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.05.2020.