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Leserbrief zum Artikel Gegen Zwangsmaßnahmen: Hilfe statt Sanktionen vom 06.04.2020:

Zukunft neu denken

Das Coronavirus hat der Weltgemeinschaft innerhalb weniger Wochen drastisch gezeigt, worauf es wirklich ankommt und wo die Schwachstellen unseres Systems liegen. Wir sehen derzeit tagtäglich, wie wertvoll Solidarität und Hilfsbereitschaft in unserem Leben sind und wie schnell die Wirtschaft an den Rand einer Krise geraten kann. Doch ist es wirklich normal, dass kleine Firmen pleite gehen, die Leute ängstlich Waren horten und Millionen Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, nur weil die Räder in einigen Bereichen eine Zeitlang stillstehen? Sicher ist jedenfalls, dass die Pandemie unsere Augen für das Wesentliche öffnen kann: Jetzt haben wir die Chance, über die sogenannte Normalität nachzudenken, alles in Frage zu stellen und tatkräftig nach neuen Wegen zu suchen! Die Gefahren für die Gesundheit, die das Coronavirus verursacht, sind echt und ernst zu nehmen – aber die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind menschengemacht.
Ebenfalls menschengemacht sind die anderen globalen Gefahren, die unsere Zukunft bedrohen: Klimawandel, Artensterben, Waldvernichtung und vieles mehr. Es scheint, als hätten wir uns daran und an all die anderen Umstände gewöhnt: An ausgebeutete Menschen in Billiglohnländern, die grausigen Zustände in der Massentierhaltung, Unmengen von Verpackungsmüll, die Existenzängste vieler mittelständischer Unternehmer und vieles mehr – Hauptsache, der Preis stimmt.
Das alles und noch viel mehr ist die Folge eines unbarmherzigen Systems, dessen negative Seiten wir in Kauf nehmen, weil es uns auf der anderen Seite ein gutes Leben ermöglicht: ausreichend Wohnraum und Freizeit, eine große Waren- und Dienstleistungsvielfalt und die Freiheit, uns weitgehend nach unseren Wünschen entfalten zu können – bis zum Ausbruch der Coronapandemie.
Gandhi hat einmal gesagt: »Die Welt hat genug für die Bedürfnisse eines jeden Menschen, aber nicht genug für die Gier eines jeden.« Wie wir heute sehen, hat die Moderne jedoch die Gier – nach Dingen, Geld und Macht – zum Leitbild gemacht: Konkurrenz, Wachstum, Gewinnstreben und Privateigentum sind der Treibstoff für den »Motor der Unersättlichkeit«. Wenn wir auch die kommenden Krisen auf eine menschliche Art und Weise überstehen wollen – oder vielleicht sogar noch verhindern können –, dann müssen wir vor allem erkennen, dass die Wirtschaft allen Menschen dienen muss und nicht zu Ungerechtigkeit, millionenfachen Existenzängsten und künstlichen Versorgungsengpässen führen darf! Ein System, dass nicht auf menschlichen Werten beruht, sondern das in einem unmenschlichen Tempo zugunsten einiger weniger Gewinner ein Heer von Verlierern hinterlässt (zu denen wir alle sehr schnell gehören könnten, wie wir jetzt sehen), darf nicht normal sein! Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken und bereit sein, völlig neue Wege einzuschlagen. Das bedingungslose Grundeinkommen für jeden Bürger wäre ein kleiner Anfang. Eine Gemeinwohlökonomie aus sich gegenseitig helfenden Unternehmen, die nur das Wohl aller Menschen und der Umwelt antreibt, wäre das höchste Ziel … »Wir müssen die Änderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.« Auch dieser Aufruf wird Gandhi zugeschrieben. Es ist Zeit, die Zukunft neu zu denken. Jetzt!
Frank Baldus, Wuppertal
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.04.2020.
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