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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Gegen Zwangsmaßnahmen: Hilfe statt Sanktionen vom 06.04.2020:

Denken ist manipulierbar

Die menschliche Psyche ist formbar, lenkbar, steuerbar und für Irreführungen aller Art anfällig. Ein gigantischer, trickreicher Manipulationsapparat sorgt beständig dafür, dass das so ist und bleibt. Das hat seine Gründe in der Staatsräson und in der Wirtschafts»räson«. Ginge man an die Wurzeln dieser Denkart, hätte man nichts zu lachen. Der Manipulationsapparat hat Sanktionsmechanismen zur Verfügung, denen kein Mensch wirklich entgehen kann.
Das wohl interessanteste Studienobjekt des Manipulationsapparates ist die menschliche Psyche und deren Funktionieren. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Psychologie begann, als Wissenschaft mit Freud, Adler und Jung einen Platz im gesellschaftlichen Denken einzunehmen, haben sich gleichermaßen Kräfte auf ihre Befunde gestürzt, um sie für sich zu nutzen und gewisse Befunde nicht aufkommen zu lassen. Denn sie passten weder in das Staats- noch das Wirtschafts- noch das Kriegsdenken. Das moderne anthropologische Menschenbild fand damals seine beste Entsprechung durch Alfred Adler aus Wien, der den Menschen als gemeinschaftsfähige, gutartige Spezies charakterisierte. Einen Aggressionstrieb, wie von Freud postuliert, lehnte er ab. Ein Machtstreben hingegen fand er in einer von klein auf durch falsche Erziehung und Umwelteinflüsse beeinflussten Persönlichkeit und ihrer Psyche. Das Machtstreben zeitigte mit beiden Weltkriegen Millionen von Toten, Elend und Verderben. Es wurden internationale Anstrengungen unternommen, dieses einzudämmen, so durch die UNO, Rechtsstaatlichkeit etc. Ohne diese wären wir vielleicht schon in der totalen Barbarei versunken, wo jeder den anderen erschlägt, wie es ihm gerade passt.
Exemplarisch aufgezeigt werden soll ein Wirken des Manipulationsapparates anhand der Herstellung von Feindbildern. Was sind Feindbilder, warum entstehen sie, und warum ändern sie sich?
Feindbilder werden von Interessengruppen gebraucht, um ihre Ziele durchzusetzen. Ziele können gut gemeint sein genauso wie hinterhältig und bösartig. Greift jedoch eine Interessengruppe zur Durchsetzung ihrer Ziele zur Feindbildpropaganda, hat sie m. E. schon den zivilisierten Umgang verlassen. In einer Gesellschaft, die sich zivilisiert nennt, gelten Argumente. Diese können auf unterschiedliche Weise geäußert werden, auch deutlich und drastisch. Greifen sie jedoch zur persönlichen Verteufelung des Gegners, will es scheinen, dass die Argumentation zu dürftig ausgebaut ist, um genügend Gehör zu finden. Jedes Argument muss der eingehenden Prüfung der Realität standhalten. Im Meinungsstreit dürfen aber auch zunächst schwach scheinende Argumente eingebracht werden und sollen Geltung haben. Meinungsäußerungsfreiheit ist eine der höchsten und ehrenhaftesten Errungenschaften der Neuzeit. Soll sie überhaupt Geltung haben, soll sie für jeden Bereich des menschlichen Lebens Geltung haben.
Die Konstruktion des Feindbildes Russland und Putin durch transatlantische Medien steht stellvertretend für mangelnde argumentative Stärke. Deren Manipulationsabsicht ist offensichtlich, sie steht im Dienst des militärisch-industriellen Komplexes. Würden sich die transatlantischen Medien einem demokratischen Meinungsbildungsideal verschreiben, würden unweigerlich die wirklichen »Kriegsziele« der regierenden Klasse in Berlin aufscheinen. Doch das durfte weder im Rahmen der Fritz-Fischer-Kontroverse in den 60er Jahren geschehen, noch wird heute der »Griff nach der Weltmacht« einer demokratischen Diskussion unterzogen. Es gibt genug fähige Köpfe, diese Diskussion zu entfachen. Nur vereint sind sie stark.
Dr. Barbara Hug, Schweiz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.04.2020.
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