Leserbrief zum Artikel »Abwicklung« der DDR: Große Depression
vom 16.03.2020:
Voller Fehler
Vor einigen Tagen ist das Buch »Betrogen von der Wende« in der Tageszeitung junge Welt rezensiert worden. Da mich das Thema und die Zeitzeugenberichte darüber sehr interessieren, bestellte ich das Buch und habe es heute erhalten. Ich bin jetzt auf Seite 14 und wollte Ihnen rückmelden, dass das Gemisch aus Druckfehlern, Rechtschreibfehlern und sprachlicher Unbeholfenheit meiner Lesefreude schon jetzt einen ordentlichen Dämpfer versetzt hat. »Meine Butter« statt »meine Mutter«, Punkt statt Komma, ein sinnloser Gedankenstrich, und »nichtendende Viehherden« sollen wohl »nicht endende Viehherden«, »endlose Viehherden« oder »nicht enden wollende Viehherden« sein. Auf Seite 13 unten dann diese Sätze: »Ich lernte da auch ihre Tricks, die Forellen zu überraschen und auch zu kriegen. Man musste da auch Glück haben, wenn man blitzschnell unter einen Stein fasste und die dort ›stehende‹ Forelle zu fassen kriegte. Forellen sind schnelle Fische und auch glitschig.« Mal abgesehen von der Banalität, dass Forellen – wie alle Fische – glitschig und schnell sind, klingt das wie ein mittelmäßiger Schüleraufsatz. Da auch, auch, da auch, kriegen, kriegen, fassen, fassen, auch. Auf S. 14 oben: »… dass ich schnell auf die Rolle von Beerdigungen für das dörfliche Leben aufmerksam wurde.« Er meint: die »Bedeutung von Beerdigungen«. Normalerweise können Historiker gut mit Sprache umgehen, schon deshalb, weil sie sehr viel lesen, schreiben und reden und dabei präzise formulieren müssen. Wenn das hier die schriftstellerischen Qualitäten sind, die Herr Prokop sich in einem ganzen Berufsleben als Historiker angeeignet hat, dann gab es für seine Entlassung 1991 vielleicht noch andere Gründe als die lauthals beklagten politischen. Ich lese trotzdem weiter. Vielleicht entschädigt der ja der Inhalt für die ärgerliche Unbeholfenheit der Sprache.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.03.2020.