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Leserbrief zum Artikel Für 100.000 Menschen weniger Grundrente vom 18.02.2020:

Realitätsverlust

Was ist an der Grundrente die gewaltige soziale Leistung? Was ist daran der große Sieg der SPD? Mehr als Luft ist da nicht, wie es schon beim Mindestlohn gewesen ist. Viel Stimmungsmache, Ausspielerei und soziales Getue – und am Ende lächerliche Armutsbeträge, Beträge, die für jene, die sich dafür feiern lassen und Dank erwarten, niemals in Betracht kämen. Diese Grundrente, am berühmten Friseusen-Beispiel als Berechnungsgrundlage verdeutlicht, ist nichts anderes als ein unbedingt notwendiges Netz, was Millionen Geringverdiener nicht in Sozialfürsorge, Bedürftigkeit, Almosenempfang oder Massenbettelei abstürzen lässt, und das wohlgemerkt trotz Jahrzehnten geleisteter Lohnarbeit. Es sagt etwas aus zu den Löhnen, zu denen sich Millionen verkaufen müssen. Die Grundrente ändert daran nichts. Was ist daran soziale Leistung, was staatliche Fürsorge und Geschenk an Arme, die trotz Arbeit davon nicht leben können? Eine SPD muss dafür kämpfen, für etwas, was jede andere Partei auch nicht ignorieren kann, ohne den sozialen Frieden endgültig zu opfern. Wer sich weltweit des größten Niedriglohnsektors lobt (SPD), der kann vor den Konsequenzen nicht die Augen verschließen. Wer Millionen mit wenig mehr als 500 Euro oder um die 40 Prozent Durchschnittsverdienst malochen lässt und sich dann wundert, dem muss soziale Realität fremd sein. Wer sich dann zudem wundert oder empört, Stimmung macht gegen Menschen, die dann Hartz IV vorziehen, der muss an sich bei Bildungsniveau 3. Klasse beginnen und sein Existenzminimum mal rechnerisch mit zwei Grundrechenarten abzuwägen. Er könnte in vielen Fällen merken, dass Arbeit weniger Existenz sichert als Hartz, weil Arbeit auch Ausgaben verursacht. Also Hartz kürzen oder endlich menschenwürdige Arbeit mit existenzsichernden Löhnen – und damit auch weniger Hartz und Armut.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.02.2020.