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Leserbrief zum Artikel Iran: Iran bedauert Raketentreffer vom 13.01.2020:

Katastrophe vorprogrammiert

Nach dem Bekenntnis zum Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs wird vom Iran ein Kniefall vor der Weltgemeinschaft gefordert. Aber selbst dieses Schuldeingeständnis hat für Irritationen in der Werteunion gesorgt, weil sie selbst noch nie zu den von ihnen begangenen Verbrechen gestanden hat. Auch ich will es mit der Verantwortung des Iran nicht bewenden lassen. Mir fällt relativ spontan nur ein bizarrer oder makabrer Vergleich ein, den ich wegen der Schwere des Unglücks nur zaghaft einsetze. Eine Fußballmannschaft, deren Verteidigung einem überlegenen gegnerischen Sturm ausgesetzt ist, begeht irgendwann einen oder mehrere fatale Fehler: Es fallen Tore.
Was ich sagen will: Die im Tagesrhythmus sich verschärfenden antiiranischen Kommentare, gespickt mit Kriegsdrohungen und einem nicht endenden Sanktionsterror mit dem Versuch, den islamischen Staat zu strangulieren, legen möglicherweise in Teheran die Nerven mehr und mehr blank und führen möglicherweise zu Reaktionen, die in normalen Zeiten undenkbar wären. Furchtbar. Aber einen imperialistischen Fußabdruck erkenne ich auch hier. Nach der Ermordung des iranischen Generals und der mit Ansage erfolgten Reaktion des Iran war dieser wiederum auf einen US-amerikanischen Gegenschlag eingestellt. Das Passagierflugzeug flog dicht an einer Militäreinrichtung der Revolutionsgarden vorbei und wurde, weil es für einen Marschflugkörper gehalten wurde, abgeschossen. Für den iranischen Außenminister ist der Abschuss Folge eines »menschlichen Fehlers in Krisenzeiten, verursacht durch die US-Abenteuerpolitik«. Dieser Einschätzung schließe ich mich an. Ich gehe sogar noch weiter: Werden in Zeiten ständiger Bedrohungen und Spannungen Katastrophen dieser Art nicht nur einkalkuliert, sondern sogar absichtlich herbeigeführt?
Hans Schoenefeldt
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.01.2020.