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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Aus Leserbriefen an die Redaktion vom 16.12.2019:

Zum Leserbrief »Unverzichtbar«

Erfreulicherweise veröffentlichten die jW einen Leserbrief der ehemaligen Staatsanwältin in der DDR Frau Gudrun Benser und die ARD am 2. und 9. Dezember unter »Inside/HVA« sehr sachliche, objektive Darstellungen über die tatsächliche Rolle und Leistungen des MfS und der Hauptverwaltung Aufklärung. Alle Betroffenen, die Inoffiziellen Mitarbeiter eingeschlos-sen, werden es mit Interesse aufgenommen und begrüßt haben, dass nicht nur bedrückende, negative Seiten Gegenstand von Veröffentlichungen waren, sondern vor allem eine gewisse Richtigstellung vorher entstandener völlig einseitiger Ansichten.
Das MfS und seine Mitarbeiter wurden bisher für alle negativen Erscheinungen der DDR verantwortlich gemacht und galten als notorische Bösewichte der Nation. Den sich in den genannten Sendungen und Darstellungen äußernden Korrekturen sollte aber eine Begebenheit hinzugefügt werden, die manchen Zusammenhang erhellt und ein gewisses Verständnis schafft: Die Mitglieder der damaligen Zentralen Parteileitung der BV Neubrandenburg des MfS hatten etwa 1957 beschlossen, dass zusammen mit dem zuständigen Staatsanwalt zu jedem eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen einzelne Bürger vor Kollektiven im Wohngebiet oder im jeweiligen Arbeitskollektiv Rechenschaftslegungen zu erfolgen haben. Dabei wurden sowohl die Auftraggeber genannt, die aus allen möglichen, in Westberlin stationiert gewesenen westlichen Geheimdiensten kamen, als auch die Hintergründe und Missstände des Geschehens. Das war vielfach mit Ausstellungen von Gerätschaften, Fotos usw. verbunden. Wenngleich die Bürger dies immer interessiert aufnahmen, wurde die weitere Durchführung solcher Veranstaltungen schon nach einigen Monaten von der Bezirksleitung (BL) der SED untersagt. Diese Veranstaltungen, so großes Interesse ihnen auch immer entgegengebracht wurde, förderten gelegentlich zutage, dass einzelne Parteimitglieder in die Vorgänge involviert waren, Entscheidungen irgendwelcher Instanzen zu negativen Folgen geführt hatten oder ähnliches. Auf keinen Fall dürfe das »Ansehen der Partei« beschädigt werden, so lautete das entscheidende Argument. Außerdem argumentierte man in der BL, dass die Darstellungen in unseren Veranstaltungen dazu führen könnten, dass einzelne Bürger zu ähnlichen Aktivitäten gegen die DDR animiert werden könnten. Wie das Vorgehen heute auch immer zu beurteilen ist, bleibt die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit über die Rolle und Arbeit des MfS wenig bekannt ist, die Kolportagen über sie aber immer phantastischere Formen und Ausmaße annehmen, bis in die heutige Zeit hineinwirken und einer völlig einseitigen, abwegigen Beurteilung dienlich sind.
Dr. sc. jur. Heinz Günther
Veröffentlicht in der jungen Welt am 17.12.2019.