Leserbrief zum Artikel Kino: Nicht ohne meine Pillen
vom 03.12.2019:
Unter der Gürtellinie
Man bekommt als Künstler mal gute, mal schlechte Kritiken, ich bin selbst ein kritischer Zuschauer und finde den Dialog über Kunst unerlässlich, aber ich verstehe nicht, warum es notwendig ist, dass Sie eine Rezension veröffentlichen, die nichts anderes macht, als alle Beteiligten aufs übelste zu beleidigen. »Wer nachts zu einem ›Kleinen Fernsehspiel‹ dieser Art wegdämmert, geht sich am nächsten Morgen erschießen.« Was soll so was? Mich haben auch schon Filme oder Theaterabende wütend gemacht, ich kam mir verarscht vor und wollte dem Ausdruck verleihen, von daher kann ich den Impuls nachvollziehen. Ich finde es auch gut, wenn Kritiker eine Haltung dem Werk gegenüber zeigen, anstatt nur den Inhalt wiederzugeben, ich finde es auch gut, wenn sie sich dabei textlich Mühe geben … Ich stehe meiner Arbeit (auch der in diesem Film) selbst kritisch gegenüber, aber was Maximilian Schäffer macht, ist in erster Linie Selbstdarstellung auf Kosten anderer mit einer Bildsprache und Vergleichen, die ich als unter der Gürtellinie empfinde. Der Name des Schauspielers Edin Hasanovic ist nicht mal richtig geschrieben. Ich glaube, wir tun uns und der Kunst/dem Kino keinen gefallen, wenn es beim Schreiben darüber in erster Linie darum geht, wer die krassesten Punchlines raushaut. Man wird dem Inhalt dann nicht mehr gerecht. Wer die Themen eines Films nicht verstehen und nicht ernst nehmen will (zum Beispiel das Thema Zeit: Regisseurin Mariko Minoguchi hat die Zeitstruktur und den Vortrag darüber im Film gemeinsam mit einem Quantenphysiker entwickelt), sollte nicht öffentlich darüber schreiben, wie schwachsinnig das alles sei. Ich glaube, es ist deutlich geworden, was ich meine. Ich bin nicht besonders beleidigt und auch nicht wirklich verletzt von dem, was über mich geschrieben wurde, dazu ist die Kritik einfach zu random. Mich ärgert die unprofessionelle Art und Weise. Ich möchte Sie dazu ermutigen, Ihr Credo »hoher Anteil an Hintergrundberichten und umfassende Analysen« auch auf Filmkritiken anzuwenden. Max Czollek schrieb einmal ganz treffend: »Auch ich halte es für wichtig, (sein Gegenüber) zu studieren, bevor man sich über es lustig macht. Erstens macht das den Witz erfüllender, weil man ihn sich erarbeitet hat. Und zweitens macht es die Intervention präziser ...«
Veröffentlicht in der jungen Welt am 05.12.2019.