Leserbrief zum Artikel Aus Leserbriefen an die Redaktion
vom 09.11.2019:
Zum Leserbrief »Akt der Notwehr«
Als Leserin habe ich mich über besagten Leserbrief sehr gefreut. Mir geht es wie dem Autor: Ich kann es auch nicht mehr ertragen, wie man uns das Ereignis Mauerbau so verzerrt darstellen will. Ich studierte von 1959 bis 1963 an der Berliner Humboldt-Universität und habe alles hautnah erlebt. Es war ja bereits soweit gekommen, dass man bei jedem Einkauf seinen Personalausweis zeigen musste.
Im Frühjahr 1961 hat Walter Ulbricht einen Brief an den regierenden Westberliner Bürgermeister Joachim Lipschitz geschrieben, um gemeinsam mit ihm über Maßnahmen zur Veränderung der Lage zu beraten. Der Brief wurde weder veröffentlicht, noch erhielt Ulbricht eine Antwort. Daraufhin wurden wir FDJler gebeten, den Brief des Staatsratsvorsitzenden in Westberloin zu verteilen. Ich habe mich natürlich dazu bereit erklärt, und eine Anzahl von Kopien des Briefs in Westberliner Briefkästen gesteckt. Aber es geschah nichts. So wurde dann leider die Mauer errichtet.
Vor nicht allzu langer Zeit (…) las ich, dass die Idee für den Mauerbau sogar aus den USA stammte (von dem demokratischen Senator William Fulbright, der nach einem Treffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow im Juni 1961 in Wien mit Blick auf die Situation in Berlin geäußert haben soll: »Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen ihre Grenze nicht schließen«, nach Eva Schweitzer, Eine Mauer ist verdammt nochmal besser als ein Krieg, 2015; jW)
Als im September das neue Studienjahr begann, hörte ich, wie einige Kommilitoninnen eine Studienkameradin zutiefst bedauerten, weil sie nun nicht mehr zu ihren Eltern gelangen könne. Ich war sehr erstaunt, hatte ich doch bis dahin geglaubt, dass diese und ihr Bruder Waisenkinder waren, weil sie bei den Großeltern in Ostberlin lebten. Aber nein, erfuhr ich nun, die Eltern hätten eine Fabrik in Niklassee in Westberlin. Sicher wollten sie Studiengebühren sparen, und so bekam ihre Tochter sogar ein Stipendium …
Die Mauer war wirklich, wie Gerhard Schiller schreibt, ein »Akt der Notwehr«.
Im Frühjahr 1961 hat Walter Ulbricht einen Brief an den regierenden Westberliner Bürgermeister Joachim Lipschitz geschrieben, um gemeinsam mit ihm über Maßnahmen zur Veränderung der Lage zu beraten. Der Brief wurde weder veröffentlicht, noch erhielt Ulbricht eine Antwort. Daraufhin wurden wir FDJler gebeten, den Brief des Staatsratsvorsitzenden in Westberloin zu verteilen. Ich habe mich natürlich dazu bereit erklärt, und eine Anzahl von Kopien des Briefs in Westberliner Briefkästen gesteckt. Aber es geschah nichts. So wurde dann leider die Mauer errichtet.
Vor nicht allzu langer Zeit (…) las ich, dass die Idee für den Mauerbau sogar aus den USA stammte (von dem demokratischen Senator William Fulbright, der nach einem Treffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow im Juni 1961 in Wien mit Blick auf die Situation in Berlin geäußert haben soll: »Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen ihre Grenze nicht schließen«, nach Eva Schweitzer, Eine Mauer ist verdammt nochmal besser als ein Krieg, 2015; jW)
Als im September das neue Studienjahr begann, hörte ich, wie einige Kommilitoninnen eine Studienkameradin zutiefst bedauerten, weil sie nun nicht mehr zu ihren Eltern gelangen könne. Ich war sehr erstaunt, hatte ich doch bis dahin geglaubt, dass diese und ihr Bruder Waisenkinder waren, weil sie bei den Großeltern in Ostberlin lebten. Aber nein, erfuhr ich nun, die Eltern hätten eine Fabrik in Niklassee in Westberlin. Sicher wollten sie Studiengebühren sparen, und so bekam ihre Tochter sogar ein Stipendium …
Die Mauer war wirklich, wie Gerhard Schiller schreibt, ein »Akt der Notwehr«.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.11.2019.