Leserbrief zum Artikel Parteien: »Natürlich müssen Linke die Systemfrage stellen«
vom 27.04.2019:
Geschichtsklitterung
Heinz Niemann spricht u. a. vom erfolglosen Verzicht der Partei Die Linke auf die eigene Geschichte, um Bündnispartner zu gewinnen. Ein besonders beweiskräftiges Beispiel dafür ist die »Erklärung der Historischen Kommission der Partei Die Linke vom 12.9.2018 zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands«. Das Wirken dieser Partei wird in überwiegend diffamierender Weise unter Verzicht auf die jeweilige Klassenkampfsituation und dialektische Analyse dargestellt. Der Verrat der SPD an der Novemberrevolution spielt keine Rolle. Es werden Anleihen bei den Historikern Weber und Wehler gemacht. Unterstellungen ohne Beweisführung betreffen z. B. eine angeblich zögerliche Teilnahme der KPD an der Niederschlagung des Kapp-Putsches, die Missachtung der Auffassung Rosa Luxemburgs zur Rolle der Oktoberrevolution, die Rolle der KPD als »Spielball« von inneren Machtkämpfen der Sowjetunion und die »Stalinisierung« der Gesamtpartei bei persönlicher Verantwortung Thälmanns. Bei der »Sozialfaschismusthese« wird nicht auf ihre Entstehungsursachen eingegangen, und die Auffassung Thälmanns, dass die KPD »die Wirkungsmacht des Faschismus« nicht rechtzeitig genug erkannt habe, wird als »Nichterkennen« dieser Gefahr umgedeutet. Solche Umdeutungen werden auch bei der Rolle der KPD beim Volksentscheid zur Fürstenenteignung vorgenommen. Negiert wird, dass der Initiator dieser Aktion die KPD war, sie habe daran nur teilgenommen. Ähnliche »Großzügigkeiten« sind bei der Darstellung ihres Wirkens in der III. Internationale zu verzeichnen. Die Rolle der KPD in der Bundesrepublik bis zu ihrem Verbot wird abgewertet, ihr Kampf um die Einheit Deutschlands und gegen die Remilitarisierung ist keiner Erwähnung wert, und die Bildung der SED aus SPD und KPD sei aus »politischen Motiven umstritten«. Abgesehen vom wissenschaftlichen Niveau dieser Publikation, geht es hier um würdelose Anbiederung. Die Linke schämt sich ihrer Vorfahren, also ihrer Geschichte.