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Leserbrief zum Artikel Literaturgeschichte: Protokollant des Krieges vom 20.04.2019:

Stolz auf Renn

Der Beitrag von Kai Köhler berührt mein Interessengebiet auch. Ich habe Ludwig Renn gelesen. Sein Buch »Krieg« beschreibt eigentlich sehr genau die Schrecken. Geschildert aus der Sicht eines einfachen Soldaten, beschreibt er die täglichen Grauen des Krieges, übrigens des ersten industriell geführten Krieges. Ich fand aber nicht, dass er dies kalt und anteilnahmslos geschrieben hat. Nein, das fand ich nicht. Er hat es erlebt, und da stumpft man schon ab. Aber die Beschreibungen des Schanzens, der Wirkung von Schrapnell und Garanten etc. waren schon abschreckend. Das Leben in den Unterständen … Der zweite Teil des Buches jedoch ist noch viel aufschlussreicher und lehrreicher. Dort beschreibt er die Rückkehrer, was sie in Deutschland vorfanden. Die Soldatenräte, die Weigerung der Offiziere, die schwarz-rot-goldene Kordel anzulegen, wie die Soldaten die Offiziere aus den Kasernen jagten, heiße politische Diskussionen in den Kasernen und Kneipen. Ludwig Renn schildert das Massaker von den Dächern des Volkshauses, heute steht dort das Gebäude der SZ, den Schutz des Dresdner Schlosses und wie Soldaten für den Einsatz im Baltikum gegen die Rote Armee abgeworben wurden und wie sie dort von England mit Waffen ausgerüstet worden sind. Er beschreibt, wie eine aufgebrachte Menge den sächsischen Kriegsminister in die Elbe warf, weil dieser den Kriegsversehrten keine Renten zukommen lassen wollte.
Arnold Vieth von Golßenau, so Renns eigentlicher Name, ist ein Dresdner, auf den ich als Dresdner besonders stolz bin.
Ja, er gelang nach Spanien und wurde dort auch in die spanische Volksarmee aufgenommen. Am Ende bildete er deren Unteroffiziere aus, und zwar in Cambrils. Im Schloss von Cambrils war die Schule untergebracht. Das Schloss steht nicht mehr, der Schlosspark existiert noch, hier wurden Übungen durchgeführt. Der Park ist heute öffentlich und wird von vielen Katalanen gern besucht. Das ausgetrocknete Flussbett dahinter, dort wurde der Übergang über den Ebro geübt, das gibt es auch noch. Für mich ist er ein Vorbild an Standhaftigkeit und Entschlossenheit und verdient positive Erwähnung.
Übrigens beschreibt Renn eine sehr interessante Begebenheit seines Exils. Er war an der öffentlichen Universität in Morella in Mexiko angestellt. Dort fragte ihn eines Tages ein Student, warum es denn in Deutschland gelungen war, die Revolution derart abzuwürgen. Sinngemäß antwortete er, dass es den deutschen Imperialisten immer noch so gut geht, dass es ihnen möglich ist, einen Teil den Arbeitern abzugeben. Sinngemäß also – und da hat er recht: Wir sind korrumpiert, auch heute noch!
Rainer Hesse, Dresden
Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.04.2019.
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • Dank für Anregung

    Danke für diesen hervorragenden Beitrag über den Protokollanten des Krieges! Bis heute wusste ich nichts über die Herkunft von Ludwig Renn, hatte aber als Kind der DDR einige Bücher von ihm gelesen. D...
    Thilo Schwarz