junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 11. / 12. Mai 2024, Nr. 109
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Debatte: Wider den Zeitgeist vom 14.12.2018:

Alle Unterstützung verdient

Der in der jungen Welt gedruckte Redebeitrag der Kommunistischen Plattform (KPF) der Linkspartei zu »Aufstehen« ist für mich, der 50 Jahre der kommunistischen Bewegung angehört, einfach enttäuschend. Mehr noch: Er weist fast exemplarisch auf die Richtigkeit der Auffassung vieler Genossen hin, dass die KPF als »kommunistisches Feigenblatt« des inzwischen systemkonformen Parteivorstandes empfunden wird. Das bezieht sich vor allem auf ihr Verhältnis zu »Aufstehen« und Sahra Wagenknecht. Die KPF kritisiert den »zu frühzeitigen Beschluss« des Parteivorstandes zu »Aufstehen«. Hier wäre zu erwarten gewesen, den Beschluss überhaupt in Frage zu stellen. Statt dessen nimmt sie eine abwartende Haltung ein, will sehen, was aus der Sache wird, statt »Aufstehen« ohne wenn und aber zu unterstützen.
Mit ihrer Haltung steht die KPF außerhalb der historischen Erfahrungen und Lehren der kommunistischen Weltbewegung. Denn als Kommunist muss man jede Initiative unterstützen, die auch nur die geringste Chance bietet, sich gegen Kriegstreiber, Faschisten und Sozialliquidatoren zu stellen. Kommunisten auf der ganzen Welt haben immer wieder bewiesen, dass sie bereit waren, sich mit ganzer Kraft auch bürgerlich dominierten Volksbewegungen oder Bündnissen anzuschließen, nötigenfalls auch unterzuordnen, wenn es um Frieden, Antifaschismus und sozialen Fortschritt ging.
Sich als Kommunist daran nicht zu beteiligen und unsinnige Bedenken zu äußern, klingt ganz nach Sektierertum. Der Beschluss des Parteivorstandes hingegen ist Ausdruck von reformistischem Opportunismus einer inzwischen im bürgerlichen System etablierten Partei. Alles in allem ist die KPF prinzipiell von den Aussagen des Parteivorstandes nicht weit entfernt.
An dieser Stelle muss man sich fragen, was die Genossen der KPF die letzten fast 30 Jahre gemacht haben. Da war doch Zeit genug, sich mit der Geschichte unserer Bewegung, mit ihren Erfolgen, aber auch Niederlagen und vor allem deren Gründen auseinanderzusetzen. Das ist offensichtlich kaum, in jedem Falle aber ungenügend geschehen, sonst hätten wir nicht solch eine Haltung an den Tag gelegt.
Hätte die KPF zu »Aufstehen« eine Haltung, die einer marxistisch-leninistischen Bündnispolitik entspräche, würde sie das Totschlagargument der Spaltung nicht anführen. Statt zufrieden damit zu sein, dass eine von ihnen, eben Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, zu den Initiatoren dieser erfolgversprechenden Bündnisinitiative gehört, geht man auf Distanz und malt die Gefahr einer Spaltung an die Wand.
Von welcher Spaltung ist hier die Rede?
Der Begriff der Spaltung ist hier zudem politisch und theoretisch-wissenschaftlich völlig unangebracht. Die »Aufstehen«-Bewegung ist kein Konkurrenzunternehmen zur Linkspartei, sondern bei einer richtig verstandenen Bündnispolitik wäre die Linkspartei einer ihrer bedeutendsten Motoren. Offenbar will sie das nicht sehen bzw. aus opportunistischen Gründen ausschließen.
Der Spaltungsvorwurf als Verdachtsäußerung ist höchst destruktiv und gehört daher verurteilt. Praktisch soll und wird er Mitglieder und Anhänger der Linkspartei auf Abstand halten und somit ihre Mitarbeit in »Aufstehen« erschweren.
Dabei blieben die in ihr Handelnden weiterhin Mitglieder ihrer Partei, denn »Aufstehen« ist keine Partei – und wird es auch nicht, sondern eine Bewegung.
Sollte »Aufstehen« zu Wahlen antreten, würden die Stimmen der Parteilinken richtigerweise dort stärkend einfließen. Offensichtlich will man das nicht, denn dann verlieren viele der in der BRD Angekommenen ihre seit Jahren angestammten warmen Plätze.
»Aufstehen« bietet die Chance, die Postulate der Linkspartei über die seit Jahrzehnten stagnierenden zehn Prozent der Wählerschaft hinaus zu verbreiten.
Auch die gegen Sahra Wagenknecht gerichteten Behauptungen, dass sie doch ihre Aktivitäten in der Linkspartei besser zur Geltung hätte bringen können, sind, gelinde gesagt, Heuchelei – und das von einer Truppe, die ohne den Namen Wagenknecht überhaupt nicht bekannt geworden und in der politischen Versenkung verschwunden wäre.
Hierzu sei mir ein persönliches Wort gestattet. Ich kenne Sahra persönlich seit dem PDS-Parteitag 1991. Wir glaubten, die PDS in eine moderne kommunistische Partei bewegen zu können. Jahrelang führten wir hierzu Telefongespräche. Doch alle Versuche Sahras scheiterten an den Revisionisten und Reformisten unter Gysi, Brie und anderen. Gysi gab in einer kürzlichen Fernsehsendung sogar zu, dafür gekämpft zu haben, dass sich die PDS nicht radikalisiere. Sein Ergebnis ist heute zu besichtigen.
Obwohl ich Sahras inzwischen verkündete Distanz zur DDR nicht billige, sollte sie doch alle Unterstützung für ihr notwendiges und großartiges Unternehmen bekommen.
Bernhard Majorow
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.12.2018.
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • Vom Krankenbett der Linken

    Die Rede des Genossen Jegielka ist eine Offenbarung der Abkehr vom Marxismus-Leninismus (M/L). Das Grundproblem ist, dass auf empirische Art versucht wird, die Gefühle der Genossen in den Vordergrund ...
    Siegfried Kotowski
  • Nationalstaat und Klassenfrage

    Zurück zu mehr Nationalstaat – was soll das bedeuten? Zunächst einmal: Die EU ist ein Staatenbund von 28 eben dieser Nationalstaaten, die durch Verträge gegenseitige Verpflichtungen eingegangen sind. ...
    Sigrid Krings
  • Höchste Zeit

    Bei aller Freundschaft, das Referat von Stephan Jegielka kann bezüglich des Abschnitts »Aufstehen« nicht unwidersprochen bleiben. Natürlich hat Jegielka recht, wenn er es für einen Fehler hält, dass s...
    Volker Link
  • Losgehen nicht vergessen

    Lieber Stephan Jegielka, wenn Teile der Partei Die Linke meinen, die beste Form von gesellschaftlichen Veränderungen finde in Koalitionen mit einer Partei statt, die schon vor 100 Jahren eine Revoluti...
    Uli Jeschke