junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 11. / 12. Mai 2024, Nr. 109
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel El Salvador: Stimme der Entrechteten vom 16.10.2018:

Ausdruck der Heuchelei

Dass Volker Hermsdorf die Heiligsprechung von Romero unter den sieben Heiligen auswählt, ist verständlich. Nicht aber, dass junge Welt sich darauf beschränkt und es nicht für nötig hält, darauf einzugehen, dass zu den Heiligen Paul VI. (Papst 1963–1978) gehört. Unter dem klerikalfaschistischen Papst Pius XII. war er als Giovanni Battista Montini führender Mann des vatikanischen Geheimdienstes Pro Deo, Mitorganisator der Flucht Zehntausender Faschisten nach Südamerika auf der sogenannten »Rattenlinie«. Darunter befanden sich international gesuchte Kriegsverbrecher wie der NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann, Adolf Eichmann, der KZ-Arzt von Auschwitz, Josef Mengele, der Kommandant der Vernichtungslager von Sobibor und Treblinka, Franz Sprangl, und der des Ghettos in Przemysl, Josef Schwammberger, sowie der Führer der Ustascha-Faschisten und Chef des unter der Okkupation Hitlerdeutschlands proklamierten »Unabhängigen Staates Kroatien«, Ante Pavelic, mit fast seinem gesamten Kabinett. Ausgeschleust wurden deutsche und italienische Faschisten, belgische und französische Kollaborateure, kroatische Ustascha, slowakische Klerikalfaschisten, ungarische Pfeilkreuzler und Angehörige der rumänischen »Eisernen Garde«. Diesen Retter von Nazikriegsverbrechern hat Franziskus also heiliggesprochen und an die Seite von Romero gestellt, der sich im Grabe umdrehen würde, wenn er wüsste, wie er da missbraucht wird.
Franziskus wurde vor fünf Jahren vom konservativen Konklave gewählt, um die tiefe Krise, in die vor allem seine Vorgänger, der polnische Papst Wojtyla und sein deutsche Nachfolger Ratzinger, sie gestürzt hatten, aufzuhalten. Er hat einiges verändert, so mit Blick auf die Befreiungstheologie, er kritisiert soziale Verwerfungen des Kapitalismus und bekundet Solidarität mit den Ärmsten und von diesem System ausgegrenzten und unterdrückten Menschen, darunter Migranten, verurteilt Kriege und unterstützt Friedensinitiativen. Das und die ungezwungene Art, mit der er den Gläubigen gegenübertritt, hebt ihn von seinen engstirnigen, reaktionären Vorgängern ab. Es verhüllt aber, dass er von den angekündigten Reformen bisher nichts verwirklicht hat, an Dogmen wie dem Zölibat, das zu den nicht enden wollenden Missbrauchsskandalen beiträgt. Die jüngste Heiligsprechung eines Retters von unzähligen Nazikriegsverbrechern kann wieder einmal nur als Ausdruck der Heuchelei, die dieser Papst betreibt, so auch der Hetze gegen die Befürworter einer Schwangerschaftsunterbrechung, die er als Auftragsmörder diffamiert, bezeichnet werden.
Doris Prato
Veröffentlicht in der jungen Welt am 17.10.2018.