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Leserbrief zum Artikel Friedensnobelpreis vergeben vom 06.10.2018:

Schändlicher Umgang mit Jesiden in BRD

Nadia Murads zu Recht erteilte Nobelpreis-Ehrung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland die Religionsgemeinschaft der Jesiden drei Jahre nach dem Genozid sträflich im Stich lässt. Nach Deutschland geflüchtete Jesiden erhalten vom Bundesministerium für Flüchtlinge und Migration (BAMF) Ablehnungsbescheide zu ihren Asylgesuchen. Obwohl sowohl der im Jahr 2014 erlittene Völkermord als auch der fortgesetzte Genozid an den Jesiden von der UN dokumentiert worden ist, verweigert das BAMF den nach Deutschland geflüchteten Menschen die Anerkennung als Asylant oder Flüchtling! In einer Perversion der Argumentation verweigert das BAMF den traumatisierten Menschen die Anerkennung als Flüchtling, weil »der Antragsteller erklärte, vor seiner Ausreise aus dem Irak nicht verfolgt worden zu sein« (BAMF-Bescheid vom 10.5.2017). Dass die Flucht vor dem IS und vor den beutemachenden Nachbarn am 3. August 2014 begann und dass Menschen, die nicht rechtzeitig flüchteten, ermordet oder versklavt wurden, lässt das BAMF als persönliche Verfolgung nicht gelten. Es entsteht der Eindruck, dass das Messer erst am Hals angesetzt sein muss, bevor man von einer persönlichen Verfolgung sprechen kann. Auch die von Asylantragstellern geäußerte Furcht vor religiöser Verfolgung im Land des Genozids lässt das BAMF nicht gelten. Die Antragsteller könnten ja in eine spezifische Region zurückkehren, da Jesiden dort »laut Erkenntnissen des Bundesamtes grundsätzlich keine Verfolgung wegen ihres Glaubens zu befürchten« hätten. Hierbei blendet das BAMF aus, dass 74 Pogrome seit dem Jahr 1415 an den Jesiden historisch belegt werden können und dass bis zu 30.000 IS-Kämpfer im Irak und Syrien untergetaucht sind, Bombenattentate durchführen und jederzeit wieder zu Großaktionen mobilisiert werden können. Unser Grundgesetz sieht das Recht für Asyl für politisch oder religiös Verfolgte vor. Die ultimative Verhöhnung dieses Rechtes sowie der asylsuchenden Jesiden ist es, ihnen die Anerkennung als religiös Verfolgte zu verwehren. Wenn nicht die Jesiden, wer soll dann das Recht auf Schutz bei uns erhalten?
Christian Kohler
Veröffentlicht in der jungen Welt am 09.10.2018.