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Leserbrief zum Artikel Politikwissenschaft: Ideologische Geistesverwandtschaft vom 14.04.2018:

Psychosoziale Revolution

Butterwegge klärt überzeugend auf, wie AfD, »Pegida« und Neonazis zusammenhängen mit der neoliberalen Doktrin, mit unserer herrschenden Politik. Aber müssen wir nicht diesen sozioökonomischen Analysen noch etwas hinzufügen, um die aktuellen Fragen beantworten zu können? Warum verhalten sich Menschen meist mehrheitlich im Gegensatz zu ihren eigenen Interessen? »Warum schweigen die Lämmer?« (Mausfeld) Warum lassen sich große Mehrheiten durch Propaganda belügen? Warum fallen Menschen reihenweise auf primitive Sündenbock-Konstrukte und rassistische Stereotype herein? Solche »irrationalen« Verhaltensweisen könnten nur »restlos erklärt« werden, beschreibt Andreas Peglau in seinem Buch »Rechtsruck im 21. Jahrhundert«, indem zur sozialökonomischen die psychologische Betrachtungsweise hinzugenommen wird. Ich füge noch die Kognitionswissenschaft, die Rainer Mausfeld einer größeren Gegenöffentlichkeit verständlich erklärt hat, als unverzichtbare Aufklärungsquelle hinzu.
Politische und ökonomische Umwälzungen sind dringend nötig, um jeder Art von »Rechtsruck« die Grundlage zu entziehen, genügten aber nicht: Eine psychosoziale Revolution muss hinzukommen. Denn bereits Bertolt Brecht warnte: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch« – aber was ist dieser Schoß?
Andreas Peglau erklärt den autoritären Massencharakter mit den Forschungsergebnissen von Wilhelm Reich, Erich Fromm, Gerald Hüther u. a. und indirekt auch mit Marx und Engels, für die Tiefenpsychologie noch unbekannt war. Überraschend klar weist auch er wie Butterwegge nach, dass neoliberale, marktradikale Lehren markante Übereinstimmungen mit »rechter« Ideologie zeigen. Wilhelm Reich formulierte 1934, im Nachwort zur zweiten Auflage der »Massenpsychologie«, als Quintessenz: »Versucht man die Struktur der Menschen allein zu ändern, so widerstrebt die Gesellschaft. Versucht man die Gesellschaft allein zu ändern, so widerstreben die Menschen. Das zeigt, dass keines für sich allein verändert werden kann.«
Manfred Lotze
Veröffentlicht in der jungen Welt am 17.04.2018.
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