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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Politikwissenschaft: Ideologische Geistesverwandtschaft vom 14.04.2018:

Linke Alleinstellungsmerkmale betonen

Die Rezession 1966/67 lieferte die Begründung für die erste »Groko« in der BRD (Kabinett Kiesinger, nach »Schwarzgelb« mit Erhard), in der allerdings Union und SPD nicht nur programmatisch, sondern auch realpolitisch einer diesen Namen verdienenden Sozialpolitik und einer keynesianisch-interventionistischen Wirtschaftspolitik noch näher standen als heute. Zwar hatten Herr Katzer und die »Sozialausschüsse« in der Union nicht viel zu melden; auf SPD-Seite war aber der Shooting Star nicht nur Vizekanzler Brandt, sondern vor allem auch Wirtschaftsminister Karl Schiller. Seine Handschrift trug ein recht brauchbares, formell nie außer Kraft gesetztes, wenn auch nie vollumfänglich angewandtes und neuerdings durch die »Schuldenbremse« konterkariertes Gesetz, das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz – das unter anderem zu antizyklischer Haushaltsführung verpflichtet! Dass die NPD 1969 durchfiel, dürfte ebenso darauf zurückgehen wie auf die Klammerfunktion, die die SPD noch hatte. In Frankreich gab es im Mai 1968 zeitweilig eine echte Liaison zwischen Beschäftigten, fortschrittlichen Studierenden und Intellektuellen, allerdings ohne parlamentarische Auswirkung. In Westdeutschland waren die Berührungsängste stets größer, die SPD jedoch durchaus noch eine Adresse für verschiedene Gruppen. Brandts Kantersieg 1972 bestätigte die als befreiend wahrgenommene Entspannungspolitik, aber auch innere Reformen mit sozialpolitischer Bedeutung (z. B. BAföG, Lohnfortzahlung), auch eher kostenneutrale (z. B. Zugunsten von Frauen oder Jugendlichen). Noch Nachfolger Schmidt war bei sehr verschiedenen Gruppen populär, wiewohl sein Sieg 1980 gratis war, da die Union den CSU-Springteufel Strauß aufgestellt hatte. Und kurios: So sehr wir Schmidt in Innen-, Außen- und Militärpolitik als Rechtsausleger der SPD sahen, als Volkswirt und Dialogpartner seines Beraters Albrecht Müller hätte er eigentlich am Ende seines langen Lebens Die Linke wählen müssen.
Die Rolle rückwärts der tatsächlich mal sozialliberalen FDP – die DJD als ihre frühere Jugendorganisation ist davon noch übrig –, die 1982 zu Genschers Verrat an Schmidt und am Wählerwillen von 1980 führte, verbindet sich eng mit dem Grafen Lambsdorff senior, der Mitte der 1970er Jahre ein schon neoliberales Papier zusammengesudelt hatte. Für seine Eltern kann niemand etwas – aber wenn in diesen Tagen Graf Lambsdorff junior beleidigt greint, weil die Kanzlerin einen dritten Weltkrieg nicht ganz so leichtfertig vom Zaun treten will wie Frau May, Herr Macron und Herr Trump, dann können wir die FDP ab 2021 hoffentlich endgültig vergessen. Genau in diesem Punkt müssen wir die logische Verbindung zur Sozial-, Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik stets betonen: Die verdammten zwei BIP-Prozente für Stoltenbergs NATO fehlen natürlich anderswo. Und genau da müssen wir AfD, FDP, Union und SPD in einen Sack stecken. Lasst Stoltenberg seine Gebetsmühle weiter drehen, aber gebt ihm keinen Cent! Als Linke müssen wir unser friedenspolitisches Alleinstellungsmerkmal immer wieder betonen, genauestens einhalten und natürlich – auch mit potentiellen AfD-Wählern, Wählerinnen gibt es da ja weniger – darüber reden.
Bernhard May, Solingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.04.2018.
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