Leserbrief zum Artikel Sachsen: Der CDU-Staat
vom 28.03.2018:
Psychogramm Sachsens
Interessante Analyse! Ich lebe zwar erst seit 25 Jahren in Sachsen, würde mich zudem als eher konservativ-geprägt bezeichnen – aber meine Erfahrungen mit Landes- und Kommunalpolitik insbesondere in Leipzig und Ostsachsen decken sich mit dem, was in dem Beitrag skizziert wird: Sachsen ist ein (Block-)CDU-Staat, in dem seit fast 28 Jahren eine sehr überschaubare Gruppe von Männern – Frauen spielen hier absolut keine Rolle (mit Ausnahme von Ingrid Biedenkopf) – Landespolitik bestimmt. Auch aus meiner Erfahrung war der NSU von Sachsen aus nur deshalb so »erfolgreich«, weil es hier ein institutionalisiertes Netzwerk des Vertuschens und Wegschauens gibt, welches alle gesellschaftlichen Bereiche durchzieht. Dieses Netzwerk ist in aller Regel parteibasiert – konzentriert sich aber nicht auf die Sächsische Union allein. Wahlweise sind SPD und FDP willige Koalitionäre, wenn es um den Schutz rechtskonservativer Strukturen in Sachsen geht. Selber habe ich bis 2002 im (...) Beschäftigungsbetrieb der Stadt Leipzig (BFB) gearbeitet, welcher ein rechtsgerichtetes Gesellschaftsmodell verkörperte (...) – alles unter einem SPD-OB. Die AfD in Sachsen ist »Fleisch vom Fleische« der Sächsischen Union, und man erkennt hier in Ostsachsen sehr deutlich, dass sich die Sächsische Union – um des Machterhaltes willen – immer mehr den politischen Positionen der AfD annähert. Herr Kretschmer verpackt das zwar ganz geschickt unter dem Label »kritische Meinungen zulassen«. Dies gilt aber nur, solange selbige vom rechten Rand artikuliert werden. Es gibt hier in Sachsen deshalb ein klares »Feindbild«: das freiheitlich-liberale Europa. Ich denke, 2019 wird aus dem »CDU-Staat« ein »AfD-CDU-Staat«. Damit wäre Sachsen dann das geworden, was Biedenkopf angestrebt hatte: eine kleinstaatlich-rechtskonservative Avantgarde – wirtschaftsliberal, sächsisch national und europafeindlich – mitten in Deutschland!