Leserbrief zum Artikel Mord an Agenten: Eskalation nach Drehbuch
vom 14.03.2018:
Von Problemen ablenken
Was, frage ich mich, soll einen russischen Präsidenten kurz vor einer Wahl dazu bewegen, einen ehemaligen Doppelagenten, der absolut keine Gefahr mehr darstellt, nach acht Jahren vergiften zu lassen? Es scheinen wohl andere Gründe eine Rolle zu spielen. Theresa May bläst innenpolitisch böiger Wind bei ihren »Brexit«-Bemühungen ins Gesicht. Also sucht man sich Nebenkriegsschauplätze. Der Anschlag auf den Russen und seine Tochter kommt da gerade recht, um von inneren Problemen abzulenken. Was liegt also näher, als eine Täterschaft Moskaus herbeizuhalluzinieren. Schlimm nur, dass u. a. auch eine Regierung in Berlin diese Schuldzuweisung ungeprüft nachplappert und mit dem Finger auf Moskau zeigt. Es gibt zu denken, dass die Bitte der Russen, Proben des Nervengiftes für eine gemeinsame Untersuchung zur Verfügung zu stellen, mit einem kategorischen Nein beantwortet wurde. Fragt sich nur warum? Verschwörungstheorie hin oder her: Fast wäre man geneigt anzunehmen, die Briten haben etwas zu verheimlichen. Will man den Russen auf Biegen und Brechen etwas in die Schuhe schieben, um einen Grund für einen angeblichen »Bündnisfall« der NATO zu haben? Wie hirnrissig muss man sein, so etwas daraus herzuleiten? Ich hoffe nur, dass Vernunft obwaltet und die Täterschaft endgültig geklärt wird. Verwundern würde es mich nicht, wenn sie beim britischen Geheimdienst angesiedelt wäre – aus gutem Grunde.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.03.2018.