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Leserbrief zum Artikel Essener Tafel nimmt bald wieder Migranten auf vom 12.03.2018:

Das Überflüssige den Überflüssigen

Die Diskussion um die Tafeln kocht immer mehr hoch. Warum wird die Diskussion um die Tafeln geführt? Ist der reale Blick versperrt? (…) Das Problem sind nicht die Tafeln, sondern die Regierungen. Von Schröder bis Merkel sind die Tafeln akzeptiert und in die Regelsätze einkalkuliert worden. Es ist einfach, den Finger auf die Ausländer und die Tafeln zu richten. Diese Diskussion wird falsch geführt. Das Problem liegt woanders. »Rechnet man die Maximalforderung des Diakonischen Werks zusammen, kommen auf die Steuerzahler Mehrausgaben von etwa 7,5 Milliarden zu«, hieß es am 8. März im Stern. »Andererseits kostet allein die Subvention des Dieselpreises (…) jedes Jahr acht Milliarden Euro. (…) Im Koalitionsvertrag von Union und SPD wird die Digitalisierung 289mal erwähnt, das Wort Armut kommt nur elfmal vor.« (…) Die Diskussion wird also nur um die Verteilung geführt. Dennoch könnte der staatliche Haushalt höhere Regelsätze aufbringen. Dazu müsste die Einnahmenseite gestärkt werden. Die Steuereinnahmen könnten höher ausfallen. Die Steuerhinterziehung durch nicht angegebene oder zu gering angegebene Einnahmen zu beenden wäre ein kleiner Finanzzugewinn. Die zweite Maßnahme müsste eine effektive Bekämpfung der Steuerflucht sein. Durch Ausreisekontrollen kann die Bargeldflucht eingeschränkt werden. Zum anderen müssten (…) Einnahmen dort versteuert werden, wo sie entstanden sind. Sie dürfen nicht in andere Länder verschoben werden. Dadurch wären in Deutschland größere Steuereinnahmen möglich. Eine weitere Erhöhung der Steuereinnahmen könnte dadurch erzielt werden, dass der Einzelhandel vernichtete Lebensmittel nicht mehr abschreiben darf. Durch diese Abschreibungstechnik erhöhen sich nämlich die Kosten, der Gewinn und die Steuerlast sinken.
Die Tafeln wird es solange geben, wie unser jetziges System der »Ausgrenzung« funktioniert. Die Tafeln nehmen die »überflüssigen« Lebensmittel auf. Lebensmittel, die im täglichen Kampf um die Kunden zuviel produziert werden. In der Hoffnung, dem anderen einen Kunden »abjagen« zu können. Die Tafeln verteilen das »Überflüssige« an die »Geldlosen«. Die großen Erfolge der Tafeln sind eine katastrophale Niederlage unseres Sozialsystems. Die Kosten für die »überflüssigen Lebensmittel« werden auf die verkauften Lebensmittel kalkulatorisch aufgeschlagen. Der Gewinn im Einzelhandel muss stimmig sein. Damit sind wir am Ziel der Überschrift angekommen: die überflüssigen Lebensmittel für die überflüssige Arbeitskraft. Ein neoliberales System des Kämpfens um Lebensmittel.
Die gleiche Diskussion wird um die Schuldenbremse geführt. Eine Bremse, um die Höhe der Schulden zu begrenzen. Auch hier wird nur die Verteilung diskutiert. Nicht aber die Einnahmemöglichkeiten. In bezug auf den Steuereinzug gilt hier das gleiche. Das Geld wäre im Überfluss vorhanden. Der Überfluss für alle ist realisierbar.
Bernhard Sommerer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 17.03.2018.