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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Mehrheit in Südafrika für Landenteignung vom 01.03.2018:

Ungelöste Aufgabe

Die Landfrage ist nach wie vor die große ungelöste Aufgabe des »neuen«, demokratischen Südafrika. In der Verfassung des Landes ist Eigentum geschützt, wie in jeder bürgerlichen Verfassung, egal wie fortschrittlich sie sein mag. Die Rückgabe von zwangsweise enteignetem Land während kolonialer und Apartheid-Herrschaft wurde zunächst dem Markt überlassen – »Willing buyer, willing seller«, d.h. Land kann zurückgekauft werden, wenn der derzeitige Eigentümer bereit ist, es zu verkaufen, zu marktüblichen Preisen, versteht sich. Diese Herangehensweise wurde inzwischen offiziell als gescheitert erklärt, denn sie hat nahezu keinen Effekt gehabt. Hintergrund: Man kann grob drei Phasen der Zwangsenteignung von Land in der südafrikanischen Geschichte ausmachen: Die große Landnahme europäischer Siedler ab 1652 bis Ende des 19. Jahrhunderts. Dann das koloniale Landgesetz von 1913 der Südafrikanischen Union unter britischer Herrschaft. Dieses Landgesetz sprach den europäischen Siedlern bzw. deren Nachkommen 93 Prozent der Landfläche zu, und sieben Prozent Südafrikas wurden den afrikanischen »Stämmen« zugestanden, wie Reservate. Dieser Prozentsatz wurde später auf 13 Prozent »erhöht«. Das Landgesetz, das übrigens damals vom britischen Parlament abgenickt werden musste, war die Grundlage für die dritte Phase, das ungeschminkt rassistische und faschistoide System der Apartheid ab 1948 bis 1994. Die »Homelands« – die 13 Prozent –, die der weißen Industrie als Reservoir billiger Arbeitskräfte dienten, wurden quasi zu Ausland erklärt. Und im weißen Südafrika wurde die Bevölkerung fein säuberlich nach Hautfarbe getrennt (Group Areas Act). In den beiden letzten Phasen (1913–1994) gab es Tausende Zwangsenteignungen und Umsiedlungen von Menschen, die vom Land ihrer Ahnen vertrieben wurden. Auf diese historische Zeit beziehen sich bislang die Gesetze zur Rückgabe des Landes. Die kolonialen Eroberungen seit 1652 werden jedoch in der Debatte zunehmend eine wichtigere Rolle spielen.
Detlev Reichel, Tshwane/Südafrika